Rezension des Buches “Ausbruch der Festungsbesatzung Thorn”

Range, Clemens; Range, Hans-Peter (2014): Ausbruch der Festungsbesatzung Thorn. Dokumentation eines Kriegsdramas 1945: Translimes Media.

Rezension von Werner Schmachtenberg

Zwischen dem 31. Januar 1945 und dem 8. Februar 1945 fand zwischen der Festung Thorn und Kulm/Schwetz eine für die Kämpfe an der Ostfront in dieser Zeit ungewöhnliche Schlacht statt. Die etwa 32.000 in der Festung Thorn eingeschlossenen Soldaten durften mit der Genehmigung von Adolf Hitler aus der Festung ausbrechen, um zu den eigenen Linien durchzustoßen. Ungewöhnlich, weil andere „Festungen“ im Osten, die diesen Namen kaum verdienten, bis zum letzten Mann verteidigt werden sollten, Thorn jedoch eine bis zum ersten Weltkrieg laufend modernisierte Festung war, deren Werke allerdings für moderne Verhältnisse zu nah an der Stadt lagen und darüber hinaus ihrer Munition für die schwere Festungsartillerie weitgehend beraubt worden waren.

Die 9 Tage dauernde, blutige Schlacht hat der Autor Hans-Peter Range (gest. 2008) miterlebt, die vorliegende 2. Auflage wurde von seinem Sohn Clemens Range nach 26 Jahren überarbeitet und erweitert und steht nun zum 70. Jahrestag der Schlacht zur Verfügung. Nach einleitenden Ausführungen über Stadt und Festung Thorn, die Garnison und die Einschließung und Verteidigung der Festung stehen im Mittelpunkt des Buches die Entscheidung zum Ausbruch und besonders die Operationen der 9-tägigen Ausbruchsschlacht. Abschnitte über die anschließende Kriegsgefangenschaft, die Suche nach den Gräbern Gefallener und die Kameradschaft einiger Überlebenden nach dem Fall der Mauer beschließen das Buch. Im Anhang findet sich u. A. ein Verzeichnis der Hochdekorierten, ein umfangreiches Personenregister und ein Literatur- und Quellenverzeichnis.

Das Buch ist eine klassische operationsgeschichtliche Darstellung der 9-tägigen Schlacht, wobei die Perspektive je nach verfügbaren Quellen die Spannweite zwischen hohen Offizieren und einfachen Soldaten abdeckt und damit nicht nur die „bunte Pfeile auf großen Karten“, sondern auch die Verlorenheit der Soldaten inmitten des unverständlichen Schlachtgeschehens gezeigt werden. Eine Vielzahl von deutschen Soldaten wird auch persönlich vorgestellt, allerdings weitestgehend beschränkt auf ihre militärische Rolle unter besonderer Erwähnung ihrer Auszeichnungen, auch ihre Charakterisierung beschränkt sich auf ihre militärische Beurteilung.

Das Literatur- und Quellenverzeichnis lässt erkennen, dass der Schwerpunkt der zugrunde liegenden Informationen neben Personalunterlagen aus dem Bundesarchiv/Militärarchiv Freiburg aus einer Vielzahl von unveröffentlichten Berichten der Beteiligten besteht, die in diesem Buch zusammengeführt, ausgewertet und damit der Nachwelt und der Forschung zur Verfügung gestellt wurden.

Die Stärke des Buches, die operationsgeschichtliche Darstellung der Ausbruchsschlacht, ist gleichzeitig seine Schwäche, da es sich weitgehend nur darauf beschränkt. Dies ist jedoch aus seiner Entstehungsgeschichte als Buch eines unmittelbar Betroffenen erklärlich. Die Autoren haben durch Zusammenstellung, Aufarbeitung und Auswertung insbesondere der unveröffentlichten Quellen einen entscheidenden Beitrag für die weiterführende Forschung geleistet.

Die Hälfte der 32.000 deutschen Soldaten erreichte die eigenen Linien, viele von ihnen verletzt. Ein Viertel starb bei den Kampfhandlungen, ein weiteres Viertel geriet in Gefangenschaft, viele schwer verletzt, weswegen die Mehrzahl diese nicht überlebte. Das Buch dokumentiert also auch eine menschliche Tragödie.