“Das Weißbuch 2016 – Neuausrichtung von Strategie und Einsätzen?” – RK WEST am 28. 11. 2016

Nachdem sich der Regionalkreis West bereits mehrfach mit dem neuen Weißbuch befasst hatte – allerdings in der Phase seines Entstehens und vor der Herausgabe -, sollte dieses Thema noch einmal vertiefend aufgegriffen und vor allem die konkreten Auswirkungen für die Bundeswehr betrachtet werden. Dies ist in einer gemeinsamen Veranstaltung mit der Köln-Bonner-Sektion der Deutschen Gesellschaft für Wehrtechnik (DWT) durch einen Vortrag des Abteilungsleiters „Strategie und Einsatz“ im Bundesministerium der Verteidigung, Generalleutnant Dieter Warnecke, geschehen.
genlt-warneckeAusgehend von den Feststellungen des Weißbuchs skizzierte General Warnecke eingangs die durch die aggressive Politik Russlands gegenüber der Ukraine, den Bürgerkrieg in Syrien und den Terror des sog. Islamischen Staates deutlich veränderte Weltlage, die insgesamt durch ein hohes Maß an Komplexität, Volatilität und Unberechenbarkeit mit einer Vielzahl von Konflikten geprägt sei. Zumindest diejenigen mit unmittelbaren Auswirkungen auf unseren Kontinent stellten auch die Bundesrepublik Deutschland vor vielfältige Herausforderungen, denen sich unser Land als Teil der NATO und der Europäischen Union nicht entziehen könne. Angesichts der Komplexität der Konfliktursachen seien rein militärische Lösungen ausgeschlossen; dagegen sei der von der Bundeswehr seit langem propagierte vernetzte Ansatz mit anderen Politikfeldern inzwischen unbestritten und zwingend geboten.
Das Bundesministerium der Verteidigung sei mit der Abteilung „„Strategie und Einsatz“, die General Warnecke sodann mit ihren wesentlichen Aufgaben vorstellte, für die neuen Herausforderungen gut aufgestellt. Dem vernetzten Ansatz werde durch sehr enge Verbindungen vor allem zum Bundeskanzleramt, dem Auswärtigen Amt, dem Ministerium für für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) sowie dem Innenministerium Rechnung getragen.
Die Streitkräfte wiesen allerdings im Hinblick auf die neuen Herausforderungen bekanntermaßen deutliche Defizite auf, deren Beseitigung mit der erfolgten Trendwende im Bereich Finanzen, Material und Personal jedoch bereits angegangen sei. Selbst bei einer Verstetigung der aufsteigenden Finanzlinie werde es allerdings etliche Jahre dauern, bis die Bundeswehr diesen Herausforderungen in einer der Rolle Deutschlands in NATO und EU angemessenen Weise entsprechen könne.
Unabhängig davon führe die Truppe die laufenden Einsätze jedoch hochprofessionell. General Warnecke zeigte auf, dass die Zahl der zeitgleich im Einsatz befindlichen Soldaten zwar deutlich zurückgegangen sei, dabei aber nicht übersehen werde dürfe, dass durch die Vorbereitung auf Einsätze und durch unterschiedliche Bereitschaftsstufen weitere Kräfte gebunden seien. Auch die Vielzahl an Einsätzen mit Beteiligung der Bundeswehr erzeuge zusätzlichen Aufwand.
Mit einer näheren Betrachtung der Operationen in Afghanistan, Mali und in der Ägäis zur Überwachung der Flüchtlingsrouten zwischen der Türkei und den griechischen Inseln schloss General Warnecke den Vortragsteil ab, stellte sich jedoch im Anschluss einer ausführlichen und weitgespannten Aussprache. Dabei deckten die Fragen und Anmerkungen des Auditoriums ein breites Spektrum ab – von sicherheitspolitischen Aspekten über Einzelheiten der personellen und materiellen Einsatzbereitschaft bis hin zu Detailfragen einzelner Einsätze. Nicht zuletzt wurde auch die Frage debattiert, wie unter Nutzung des Weißbuchs ein breiterer sicherheitspolitischer Diskurs angestoßen werden könne.
Die ca. 130 Teilnehmer können auf eine hochinformative, interessante und anregende Veranstaltung zurückblicken, die General Warnecke noch dazu erfreulich unterhaltsam gestaltet hatte.
Der Regionalkreis West der Clausewitz-Gesellschaft dankt dafür sehr herzlich ebenso wie für die reibungslose Organisation der Veranstaltung durch Oberst a.D. Josef Schuler, den Leiter der Sektion Köln-Bonn der DWT.

Jürgen Ruwe, Generalleutnant a.D.