Besprechung des Bildbandes Fields of Battle – Lands of Peace 1914-1918 von Michael St Maur Sheil

Nach der ersten verlorenen Marneschlacht im Herbst 1914 hatten sich die deutschen Truppen im Westen in ein Stellungssystem eingegraben, von der Kanalküste durch Belgien und Ostfrankreich bis zur Schweizer Grenze, und sich bis zum Kriegsende von 1918 erfolgreich gegen britische, belgische, französische und amerikanische Truppen verteidigt. Die Gegner Deutschlands gruben sich ebenfalls ein, als ihre Angriffe gegen die deutschen Stellungen erfolglos blieben. Ein Geländestreifen von über 700 Kilometern, die Kampfzone beider Seiten, wurde im Ersten Weltkrieg unterschiedlich intensiv durch Kampfhandlungen verwüstet.

Die fotografischen und filmischen Zeugnisse über die damalige Westfront, aber auch der Schlachtfelder im früheren Ostpreußen, in Italien, in Griechenland und auf dem türkischen Kriegsschauplatz, in Palästina und Afrika sind meistens in Schwarz-Weiß überliefert worden. Nur wenige wurden nachkoloriert.

Michael St Maur Sheil hat auf insgesamt 264 Seiten von quadratischem Format 153 samtig matt schimmernde Farbfotos in seinen Bildband Fields of Battle – Lands of Peace 1914-1918 aufgenommen. Beim ersten Durchblättern des Werkes erweitern die auf starkem Bilddruckpapier großflächig beidseitig abgedruckten Fotos sowohl die haptische als auch die optische Wahrnehmungsdimension der Rezipienten. Das Foto der Vorderseite des Buchumschlags wird in der Mitte des Bildbandes, zur Einleitung des Abschnitts Lorraine, wiederholt und erhält somit größere Bedeutung. Jeder der 14 Abschnitte zeigt einführend ein auf zwei Seiten großformatig flächendeckendes Landschaftsbild, egal ob es sich um die Abschnitte mit den meisten Bildern wie Picardy und Lorraine oder um die mit den wenigsten Bildern Thessaloniki und Africa handelt. Im Durchschnitt sind 17 Bilder pro Abschnitt, oft ohne ablenkenden Bildtext auf gleicher Seite, der bezeichneten Schlachtfelder abgedruckt. Die aussagekräftigen, meisterhaft ausgewählten fotografischen Farbaufnahmen von Ausschnitten der Kriegsschauplätze im Bildband von Michael St Maur Sheil wurden im Rahmen der Feierlichkeiten zum Andenken des 100. Jahres nach der Schlacht um Verdun am 29. Mai 1916 4.000 geladenen Gästen vorgestellt. Bei dieser Veranstaltung gedachten Frankreichs Präsident François Hollande und Bundeskanzlerin Angela Merkel der dort Gefallenen und Verwundeten. Danach wurden die Bilder im Juni und Juli 1916 in der Guildhall in London ausgestellt.

Das dreisprachige Buch, mit einem Vorwort des britischen Historikers Sir Hew Strachan, in englischer, französischer und spanischer Sprache, hat St Maur Sheil dem 2011 verstorbenen Historiker und Experten über die Schlachtfelder des Ersten Weltkrieges, Professor Richard Holmes, gewidmet. Seine farbigen Bilder, darunter auch Luftaufnahmen, scheinen zu zeigen, wie die Natur auf geradezu magische Weise das verwüstete Kampfgelände in blühende Landschaften verwandelt und Orte von Kampf, Verwüstung, Sterben und Verwundung von faszinierender Schönheit und Ruhe umgestaltet hat. Über die früheren Schlachtfelder legen St Maur Sheils Bilder einen poetisch anmutenden Schleier, der die Wunden des Krieges zu verdecken scheint. Der Titel des Buches, „Schlachtfelder, Friedensländer“, spiegelt diesen Umstand wider. Unter der Oberfläche der von ihm abgebildeten Landschaftsausschnitte finden Schlachtfeldarchäologen jedoch noch heute Zeugnisse der Kämpfe, vor allem gefährliche Munition und Munitionsteile, Reste von betonierten Unterständen, Schützengräben und Kampfstellungen. In Flandern, im Raum von Verdun und am Hartmannsweiler Kopf sind für Besucher durch ihr Freilegen, durch Denkmäler und das Einrichten von Kriegsmuseen Erinnerungsstätten entstanden. Zusätzlich legen die auf den früheren Schlachtfeldern angelegten, gepflegten Kriegsgräber der Gefallenen des Ersten Weltkrieges Zeugnis von der Intensität der Kämpfe ab, die auf ihnen stattgefunden haben.

Die Komposition und der Inhalt einiger Bilder dieses Buches erinnern an Werke von Caspar David Friedrich und William Turner. Das zeigt sich besonders bei Landschaftsbildern mit großflächiger Lichtgestaltung, wie der einfallenden auf- oder untergehenden Sonne und der besonderen Wolkenformation sowie der teilweise unscharfen Konturierung der Landschaft. Das Umschlagsbild erinnert dagegen an die düstere, aus Wasser, hier aber Wolken, emporsteigenden Lebens- oder Toteninsel von Arnold Böcklin. Das Lichtspiel der Bilder, der Schatten, die unterschiedlichen Vegetationszonen, verschiedenen Jahres-/ Tageszeiten, Bewuchs und Relikte aus dem ersten Weltkrieg, Symbole militärischer Auseinandersetzungen, zeichnen ein Bild von Ambivalenz. Der Ambivalenz von Krieg und Frieden, von Natur und Kultur sowie von Todesangst und Lebensmut. An der früheren Westfront hat die Natur nur oberflächlich eine von Granattrichtern zerpflügte Landschaft, untergegangene Ortschaften, zerschossenes und verrottetes Kriegsgerät, Munition sowie Stacheldrahthindernisse sowie vom Kampf gezeichnete Verteidigungsanlagen bis auf den heutigen Tag überdecken können. Immer wieder pflügen Bauern aus der Erde gefährliche Artilleriemunition, und es kommt zu Unfällen durch ihre Explosion. In den erhaltenen, von Buschwerk und Bäumen überwucherten Unterständen sind noch immer Beschriftungen und auch ungelenke künstlerische Zeugnisse von Soldatenhand an den Wänden ihrer unterirdischen Stollen- und betonierten Feldbefestigungen zu finden, was der Bildband beispielhaft zeigt.

Die farbigen Bilder des Buches erzeugen bei manchem ihrer Rezipienten aber auch zwiespältige Gefühle, weil sie die fotografischen Zeugnisse von den Schlachtfeldern des Ersten Weltkriegs bisher nur in düsteren Schwarz-Weiß Fotografien und Filmen kennenlernen konnten, die, ganz anders als die Bilder von St Maur Sheil, weder Poesie noch Schönheit ausstrahlen, und sich bei ihnen als Interpretationsmedium zum Verstehen und Bewerten der Kämpfe im Ersten Weltkrieg eingebrannt haben. St Maur Sheils farbige Fotografien lassen sicher manchen sich die Frage stellen, ob das Grauen der Schlachten durch seine Bilder in Farbe nicht unzulässig verdeckt oder gar verharmlost wird. Für Andere senden die Bilder die Botschaft aus, dass das Zeitalter europäischer Kriege endgültig überwunden werden konnte, Europa zusammenwächst und wie eine wiederbelebte Vegetation das durch Kampf verwüstete Gelände der im Buch abgebildeten Schlachtfeldausschnitte hiervon Zeugnis ablegt. Für diejenigen, die so empfinden, sendet das Buch eine tröstliche romantische Botschaft mit Bildern in bestechender Qualität aus, die in die Zukunft weist.

ISBN 978-3-903101-07-4, Juni 2016, Euro 65,00
Manuela R. Krueger/ Christian E. O. Millotat