Rezension: Die Lufthansa – von den Anfängen bis zur Neugründung 1955

Die Lufthansa – von den Anfängen bis zur Neugründung 1955

Zur Geschichte der Lufthansa, des auch heute noch bedeutendsten deutschen  Luftverkehrsunternehmens, liegen jetzt (2016) zwei neue, gleichwohl sehr unterschiedliche  Untersuchungen vor.
Unter dem Titel Adler und Kranich. Die Lufthansa und ihre Geschichte 1926- 1955 beschreibt der Bochumer Historiker Lutz Budrass die Entstehung und weitere Entwicklung des Unternehmens in dem genannten Zeitraum. Seine Untersuchung schließt damit dessen Neugründung, zehn Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs, mit ein.
Joachim Wachtel und Günther Ott gehen in ihrem Buch mit dem sehr ähnlichen Titel Im Zeichen des Kranichs. Die Geschichte der Lufthansa von ihren Anfängen bis 1945 einen anderen Weg. Untersuchungsgegenstand und -zeitraum  sind dabei nahezu identisch. Wesentlicher Inhalt dieses Buches sind 425 sorgfältig ausgewählte Fotos, ergänzt durch Tabellen, Dokumente sowie ausführliche Textbeiträge. Ein enger Zusammenhang mit dem zuvor genannten Buch Adler und Kranich ergibt sich durch ein Sonderheft zu dem Buch von Wachtel/Ott Die Lufthansa und ihre ausländischen Arbeiter im Zweiten Weltkrieg von Lutz Budrass, in dem ein dunkles Kapitel der Unternehmensgeschichte in den Blick genommen wird.
In seinem eigenen Buch schildert Budrass aus historischer Perspektive die Entstehung der Lufthansa 1926 bis zu deren Untergang am Ende des Zweiten Weltkriegs sowie die Neugründung im Jahre 1955.
Die Entwicklung des Unternehmens war bis 1945 wesentlich von politischen und militärischen, weniger von kommerziellen Zielen bestimmt. Da bei Kriegsende 1918 das fliegende Material an die Siegermächte abgegeben werden musste, die zivile Luftfahrt bis 1920, der Bau neuer Flugzeuge bis 1922 und im Versailler Vertrag Luftstreitkräfte verboten waren, versuchte das Deutsche Reich, sich auf Umwegen wieder „Luftgeltung“ zu verschaffen. Die Gründung der Lufthansa und ihrer Vorläufer diente vor allem diesem Zweck.
Die ersten Piloten waren überwiegend ehemalige Fliegeroffiziere. Auch Ernst Brandenburg, Ministerialrat, später Ministerialdirektor im Reichsluftfahrtministerium und Mitglied es Aufsichtsrates der Lufthansa, war vor 1918  Militärpilot. Erhard Milch, Hauptmann a. D. der Fliegertruppe, wurde erster technischer Direktor  des jungen Unternehmens. 1940 stieg er in der Luftwaffe zum Generalfeldmarschall auf. Zahlreiche andere Lufthanseaten erreichten später in der Wehrmacht Generalsränge.
Die enge Verbindung zwischen dem Militär und der Lufthansa wurde nach 1933 noch ausgeweitet. Bei Aufstellung der neuen Luftwaffe ab 1936 nutzte das Regime deren fliegerisches und technisches Wissen. Im Spanischen Bürgerkrieg transportierten Verkehrsflugzeuge des Unternehmens Truppen und Material der Legion Condor.  Vor allem Hermann Göring, auch er ein ehemaliger Fliegeroffizier des Ersten Weltkriegs förderte maßgeblich die zivile Luftfahrt und den Aufbau der Luftwaffe.
Mit Kriegsbeginn 1939 nutzten das Dritte Reich und seine Wehrmacht die Lufthansa nahezu vollständig für die Kriegführung. Das fliegende Material wurde requiriert, Piloten und Bodenpersonal als Soldaten zur Luftwaffe eingezogen und der zivile Flugbetrieb fast vollständig eingestellt.
In den beiden hier vorgestellten Büchern werden ausführlich die politischen Rahmenbedingungen, die Entwicklung der Flugzeugtechnik und die Vereinnahmung der Lufthansa durch das NS-Regime und die Wehrmacht behandelt. Beide Bücher erschließen ihren Lesern ein wichtiges Kapitel deutscher Wirtschafts- und Technikgeschichte, vor allem den Einfluss des Militärs auf die Lufthansa: Budrass durch seine gründlich recherchierte, geschichtswissenschaftliche Arbeit, Wachtel und Ott durch die Vielzahl der Abbildungen und anderen Dokumente. Deren Buch ist damit weit mehr als ein schnell durchzublätternder Bildband.
Nicht nur für Historiker, sondern auch für an Luftfahrt und Flugzeugtechnik sowie an einem wichtigen Abschnitt deutscher Militärgeschichte Interessierte enthalten  die beiden Veröffentlichungen vielfältige Informationen zu diesen Themen.

Dr. Michael Vollert, Oberst a. D.

Lutz Budrass, Adler und Kranich. Die Lufthansa und ihre Geschichte 1926 – 1955, München 2016. Karl Blessing Verlag, ISBN 978-3-89667-481-4, gebunden, 39,99 EURO.
Joachim Wachtel und Günther Ott, Im Zeichen des Kranichs, Die Geschichte der Lufthansa von den Anfängen bis 1945. Unter Mitarbeit von Werner Bittner, München u. a. 2016. Piper Verlag, ISBN 978-3-492-05788-2, gebunden,  39,95 EURO.