Drohnenkriegsführung – RK Nord am 18.04.2023

Am 18. April 2023 fand in Hamburg die vierte Veranstaltung des Regionalkreises Nord der Clausewitz-Gesellschaft e.V. diesen Jahres statt. Oberstleutnant Karl trug zum Thema vor:

Drohnenkriegsführung

Oberstleutnant Michael Karl ist seit 2020 Lehrstabsoffizier und wissenschaftlicher Referent beim ‚German Institute for Defence and Strategic Studies‘ und bei der Führungsakademie der Bundeswehr. Er gilt als anerkannter Spezialist für Drohnenkriegsführung und ist auch in den Medien als gefragter Experte präsent. Der Saal war wieder voll besetzt.

Einsätze von Drohnen zur Aufklärung sind keine neue Entwicklung. Spätestens ab 2002 verwenden die US-Streitkräfte und die CIA Drohnen auch zur gezielten Tötungen von Einzelpersonen. In Deutschland entzündeten sich daran jahrzehntelange Diskussionen über “extralegale Tötungen”; sie verhinderten nahezu 20 Jahre lang die Beschaffung jeder Form von bewaffnungsfähigen Drohnen für die Bundeswehr.

Kriegführung mit Kampfdrohnen hat aber eine ganz andere Qualität und ist eine vergleichsweise neue Entwicklung. Von der Öffentlichkeit fast unbemerkt wurden türkische Kampfdrohnen 2020 im libyschen Bürgerkrieg eingesetzt und trugen wesentlich zur Niederlage von General Haftar bei. Fast zeitgleich war der aserbaidschanische Einsatz von Kampfdrohnen im Krieg um Bergkarabach 2020 auch gegen armenische Stellungen und abgesetzte Kräfte wohl entscheidend für die armenische Niederlage.
Die Ukraine setzte im letzten Jahr erfolgreich türkische Bayraktar-Kampfdrohnen zur gezielten Panzervernichtung ein. Diese Drohne hat eine Flugdauer von bis zu 24 Stunden, kostet etwa € 2 Mio und kann lasergelenkte Bomben abwerfen oder Raketen verschießen.
Rußland setzt derzeit iranische Kamikaze-Drohnen gegen die ukrainische Energie-Infrastruktur ein. Diese Drohnen vom Typ Shahed 136 sind Einwegdrohnen, die etwa 40 kg Sprengstoff tragen und eine Reichweite von einigen hundert Kilometern haben. Der Stückpreis beträgt vermutlich weniger als $ 50.000,- und sie sind wohl weitgehend aus handelsüblichen zivilen Komponenten hergestellt. 
Auch China produziert kostengünstige Kampfdrohnen: der Typ Chengdu Wing Loong der Chengdu Aircraft Industry Group kostet pro Stück etwa € 1 Mio. Zum Vergleich: eine MQ-9 Reaper Drohne der US-Firma Raytheon kostet pro Stück 30 Mio $.
Dass in den letzten Monaten ausgerechnet Hersteller von Drohnen aus der Türkei und aus dem Iran weltweite Beachtung gefunden haben, ist kein Zufall. Ihre Drohnen sind keine teuren High-End-Produkte und sie haben ihre Fähigkeiten in realen Kriegseinsätzen bewiesen. Das dürfte zur weiteren Verbreitung von Kampfdrohnen beitragen. Angesichts dieser Entwicklungen steht ebenfalls zu befürchten, daß sich künftig auch terroristische Gruppierungen Kampfdrohnen beschaffen könnten.
Dabei entwickelt sich die Technologie rasant weiter: einerseits hin zu einer zunehmenden Miniaturisierung (“Schlüsselloch-Drohnen”), andererseits durch Verknüpfung mit “künstlicher Intelligenz” hin zu selbstzielsuchenden Kampfdrohen, sogenannten “Loitering Weapons”, nicht zuletzt als ganzen Drohnenschwärmen. Damit stoßen technologische Entwicklungen zunehmend auch in Grauzonen des Völkerrechtes in bewaffneten Konflikten vor.
Im Rahmen der Landes- und Bündnisverteidigung muß sich die Bundeswehr all diesen Herausforderungen stellen.

Nach einer lebhaften Diskussion klang der Abend beim gemeinsamen Abendessen vom Buffet und anschließenden Gesprächen in lockerer Runde aus.

Dr. Hans-Peter Diller
Oberstarzt a.D. und Leiter Regionalkreis Nord

Bild: Quelle StBtsm d.R. Tiburski, Clausewitz-Gesellschaft e.V.