“Das Ausstattungssoll der Heeresangehörigen der Bundeswehr von 1955 bis 2010“

Beitrag von Generalmajor a.D. Christian E.O. Millotat und Manuela R. Krueger

Besprechung des Buches “Das Ausstattungssoll der Heeresangehörigen der Bundeswehr von 1955 bis 2010“ von Lothar Schuster in Zusammenarbeit mit der Lehrsammlung der Logistikschule der Bundeswehr,  Zeughaus Verlag, Berlin 2011, EUR 59, 95

Mit dem Dokumentieren ihrer Entwicklung seit 1955 hat sich die Bundeswehr immer schwer getan. Erst in jüngster Zeit sind Arbeiten erschienen, die gravierende Lücken schließen. So gibt zum Beispiel erst die Arbeit von Clemens Range, „Kriegsgedient. Die Generale und Admirale der Bundeswehr“ von 2013 Aufschluss über die 828 Offiziere, die aus der Wehrmacht stammten und in der Bundeswehr in die Generals und Admiralsebene aufgestiegen sind. Die Geschichte der Truppenteile der Bundeswehr, bisher nur in unwissenschaftlichen, verstreuten Einzeldarstellungen behandelt, ist noch immer nicht nachvollziehbar. Offensichtlich hat das sich bis heute immer wieder zu beobachtende „Verbeißen“ in die Frage, ob die Deutsche Wehrmacht tradierwürdige Elemente für heutige Soldaten hinterlassen habe, die Energie und das Interesse von Historikern und Soldaten so stark absorbiert, dass wenig intellektuelle Kraft für das Erforschen von Entwicklungen in der Bundeswehr geblieben ist. Zu diesen Lücken gehörte bisher auch das Fehlen einer Darstellung der Entwicklung der Heeresuniformen der Bundeswehr für Gefechtsdienst, Truppenübungen, die heutigen Krisenreaktionseinsätze, für den inneren Dienst, den zeremoniellen Einsatz und den Ausgang in der Öffentlichkeit, bei dem sich Soldaten präsentieren. Lothar Schuster hat diese Lücke geschlossen. Sein 363 Seiten umfassendes, mit 1 500 farbigen Abbildungen gestaltetes Buch ist 2011 unter einem sperrigen Titel erschienen und in der Presse kaum beachtet worden. Diese Buchbesprechung soll es in das ihm gebührende Licht rücken. Das Literaturverzeichnis ist erschöpfend und wissenschaftlich einwandfrei. Viele Seiten mit ihren zahlreichen Abbildungen von Uniformen, Ausrüstungsgegenständen, Effekten sowie Orden und Ehrenzeichen wirken überfrachtet. Der sie umrahmende erläuternde Text mit kleinen, leserunfreundlichen Buchstaben erschwert die Lektüre.

Einleitend stellt der Autor die Entwicklung der Dienststellen der Bekleidungswirtschaft der Bundeswehr vor. Dann gibt er einen Überblick über die Entwicklung der Bekleidung der Bundeswehr vom Kalten Krieg bis heute sowie über Entwicklungen in der liefernden Industrie. Es folgen kurze Ausführungen zu Uniformentwicklungen, die von aussagekräftigen Fotografien illustriert werden. Schuster führt dem Leser Uniformentwicklungen, Trageversuche und Ausrüstungsgegenstände, Ausgehuniformen, Sommer- und Tropenuniformen, Hemden, Krawatten und Pullover, Gesellschaftsuniformen, Mäntel, Blousons, Ganzjahresjacken sowie Uniformen für Soldatinnen vor Augen. Höhepunkt des Buches ist seine Darstellung über die Entwicklung der Einsatzbekleidung bis zu den heutigen Fleckentarnuniformen. Hinzu kommen Mützen, Hüte, Ausrüstungsgegenstände sowie Effekten des Deutschen Heeres. All das in bisher nirgends zu findender Ausführlichkeit. Dieses Vorgehen macht das Buch zu einem großen Wurf.

Im Kapitel über die Entstehung der Dienst- und Ausgehuniformen des neuen Deutschen Heeres wird deutlich, wie psychologisch ungeschickt die Schöpfer der Bundeswehr vorgingen, als sie die Soldaten in Uniformen nach amerikanischem Muster kleideten. Sie entsprachen nicht der in der ZDv 37/10, „Anzugsordnung für die Bundeswehr“ vom Juli 1996, Nr. 101f., formulierten Funktionalität und von der Führung gewollten Wirkungsmacht von Uniformen: „Die Uniform als einheitlicher Anzug“, wird dort ausgeführt, „ist Teil militärischer Tradition und drückt das Zusammengehörigkeitsgefühl der Soldaten auch äußerlich aus.“ Erst als diese in den folgenden Jahren behutsam historischen deutschen Vorbildern angepasst worden waren – das wird bei Schuster deutlich – erfüllten sie diese Ansprüche. Das hat die Integration der jungen Bundeswehr in die Gesellschaft und ihr Ansehen in der Bevölkerung zunächst erschwert. Wirklichkeitsfremde Planer begingen bei der Schaffung der ersten Bundeswehruniformen einen Traditionsbruch, dessen Wirkung sie falsch eingeschätzt haben. Die Nationale Volksarmee führte hingegen auf Weisung der Sowjets Uniformen ein, die weitgehend denen der Wehrmacht glichen. Der wehrunwillig eingestellten Bevölkerung der Deutschen Demokratischen Republik wurden Soldaten präsentiert, die in die gewohnte, dem Feldgrau ähnelnde Uniform der Wehrmacht und ihrer Vorgänger eingekleidet waren.

Bei Schuster wird auch deutlich, dass der Kampfanzug bis zur Einführung von Flecktarnuniformen im Jahre 1988 ein Stiefkind in der Bundeswehr gewesen ist. Er stellt dar, dass der erste fleckengetarnte Kampfanzug ebenso als unbrauchbar eingestuft wurde wie der ab 1958 erprobte und dann eingeführte Kampfanzug „jagdmeliert“ aus grober Wolle, dick, steif und im Sommer trageunfreundlich, von den Soldaten als „Filzlaus“ bezeichnet und schließlich abgeschafft. Die Moleskinanzugmodelle aus Baumwolle, die ihm folgten, konnten nicht als Kampfanzüge bezeichnet werden und schützen nur unzureichend gegen Kälte und Nässe. Der Autor stellt, mit Bildern belegt, die Entwicklung der Fleckentarnuniformen der Bundeswehr bis heute dar und wie Erfahrungen aus den internationalen Krisenreaktionseinsätzen ihre Modifizierungen bewirkten.

Lothar Schuster hat mit seinem Buch, das den Charakter eines Nachschlagewerkes hat, nicht nur für Militärhistoriker und Experten der Heereskunde eine ausgezeichnete, wissenschaftlich fundierte Handreichung geschaffen. Aktiven jungen Soldaten gibt die Arbeit Anleitungen über die Funktion von den modernen Uniformen sowie Ausrüstungsgegenständen des Heeres und ihrem Gebrauch im täglichen Dienst. Damit erfüllt es die Funktion einer Ausbildungshilfe. Frühere Teilnehmer an den vielen Truppenversuchen für neue Uniformen sowie Ausrüstungsgegenstände unterrichtet er umfassend über deren Ausgang und zeigt, was eingeführt und was nicht eingeführt wurde. An der Thematik und dem Design des Buches ist erkennbar, dass der Autor seine militärische Prägung und seine Erfahrungen als Reserveoffizier einbringen konnte. Der beiliegende Datenträger vertieft in Wort und Bild Inhalte des Buches. Der hohe Preis des Buches sollte seinen Erwerb und seine Verbreitung demzufolge nicht behindern.