Buchbesprechung “Führungseliten – Generale und Admirale der Bundeswehr 1955 – 2015, Politische und Militärische Führung” von Dieter E. Kilian

Generalmajor a.D. Christian E.O. Millotat
Manuela R. Krueger

Nicht wegen seiner 1, 332 Kilogramm und 668 Seiten ist das im Dezember 2014 erschienene Buch von Oberst a.D. Dieter Kilian von Gewicht, sondern aufgrund seines Inhalts. Das Buch schließt spät eine Lücke und besticht durch sein schlichtes Design. Es ist auch eine Quelle und Handreichung für politische, militärische und diplomatische Akteure, die zur Zeit den Internationalen Krisenreaktionseinsatz in Afghanistan auswerten und angesichts der Entwicklungen in der Ukraine, im Nahen- und Fernen Osten und in Afrika Kurs und Struktur der Bundeswehr durchdenken. Die Kenntnis der quellenmäßig aktuell und wissenschaftlich einwandfrei belegten Fülle an Informationen in Kilians Buch über die Bundeswehr von ihrem Beginn bis heute und ihrer handelnden Persönlichkeiten, deren Erfolge, Irrtümer sowie Einfluss in den Stäben des NATO- Bündnisses sowie der EU führt zu gedanklicher Klarheit über die neuen Herausforderungen der multinational immer enger verbundenen zukünftigen Armee. Kilians Buch schärft auch das Bewusstsein sowie die Erkenntnisfähigkeit dafür, bei diesem Prozess überholte, unter anderen politischen Bedingungen und Motivationslagen entstandene Strukturen auf den Prüfstand zu stellen.

Der Autor verzichtet auf ein Vorwort, in dem er die Ziele seiner Arbeit darlegt. Er konfrontiert seine Leserschaft unmittelbar mit seinen Darlegungen und Analysen und überlässt ihnen die Schlussfolgerungen. Die Zahl der behandelten Personen ist überwältigend und fordert stark das Aufnahmevermögen seiner Leserschaft: Das Wirken, die Erfolge und auch Fehler von 16 Verteidigungsministern und einer Verteidigungsministerin, 15 Generalinspekteuren, 38 Generalen und Admiralen in Deutschland sowie in NATO- Spitzenverwendungen, etwa 50 weiteren Generalen- und Admiralen, StaatssekretärInnen, vielen PolitikerInnen, Wehrbeauftragten sowie Persönlichkeiten mit militärischem Hintergrund und etwa 1 000 weitere Personen werden ungeschminkt, oft mit feiner Ironie, aber immer nobel behandelt. All das stellt an das Lesepublikum hohe Anforderungen und setzt Kenntnisse über die Entwicklung der Bundeswehr sowie ihre Stellung in der Familie der Verbündeten in den Jahren des Kalten Krieges und in den heutigen Internationalen Krisenreaktionseinsätzen voraus. Die Qualität vieler in Schwarz- Weiß abgedruckten Bilder ist verbesserungsbedürftig.

Kilian hat folgende “Architektur“ für sein Buch gewählt: Zu Beginn behandelt ein prägnanter “Militärpolitischer Kompass“, ausführlich mit Quellen belegt, historische und aktuelle Felder, die in unsere Zeit hineinwirken. Am Anfang steht das Herantasten und Ringen um ein zutreffendes Verständnis vom Primat der Politik über die neuen Streitkräfte Bundeswehr. Kilian behandelt Amtsanmaßungen der zivilen Bürokratie und ihre falsche Auffassung vom Begriff “Civil Control“ und zeigt das “abgrundtiefe Misstrauen“ (Helmut Schmidt) vieler Politiker der Aufbaujahre gegen die neue Armee. Er weist nach, wie stark es im nationalsozialistischen Unrechtsstaat wurzelte, vom “Schatten von Stalingrad“ gespeist wurde und die Wehrgesetzgebung sowie ihre Struktur beeinflusste. Er stellt im Absatz “Parlament und Streitkäfte“ die Entwicklung zur Parlamentsarmee dar, beleuchtet Konfliktfelder, die entstanden, wenn in politisch- strategischen und militärischen Fragen ungeschulte PolitikerInnen auf mit Eliteniveau ausgebildete und geschulte Offiziere prallten. Er stellt im Abschnitt “Kontrolle versus Vertrauen“ die parlamentarischen Kontrollorgane sowie Funktionen, einschließlich des Wehrbeauftragten dar. In den Abschnitten “Oberbefehl“, “Spitzengliederung“ sowie “Führung und Politiker“ behandelt der Autor die Entwicklung der Rolle und Position des Generalinspekteurs: zunächst dessen schleichende Entmachtung und Reduzierung seiner protokollarischen Rangfolge hinter immer mehr Staatssekretären. Dann seine späte Aufwertung durch den “Dresdner Erlass“ von 2012 zum unmittelbaren Vorgesetzten aller Soldaten der Bundeswehr und der Beamten in seinem Bereich, seine heutige Stellung als Teil der Leitung des Bundesministeriums der Verteidigung neben seiner Funktion als militärpolitischer Berater der Bundesregierung; auch die in Deutschland nie genügend gewürdigte Bedeutung der hohen Soldaten in NATO- Spitzenstellungen bis in unsere Tage, die bereits General Ulrich de Maizière in seinem Buch “In der Pflicht“ von 1989 beklagt hat. Er belegt, dass sie noch immer festzustellen ist.

Bei der Darstellung des Verhältnisses von politischer Leitung sowie Kontrolle über die Bundeswehr und den seit ihrer Aufstellung aufgrund von oberflächlicher Bildung einer großen Zahl von Politikern und Politikerinnen strategischen und militärischen Fragen aufgetretenen und noch immer auftretenden Friktionen findet der Autor seine Beurteilungsgrundlagen bei Generalmajor Carl von Clausewitz. Aus seinen Analysen erschließt sich, dass dessen Erkenntnisse in der Geschichte der Bundeswehr bis in unsere Zeit hinein intellektuell nie durchdrungen worden sind und selten Richtlinie für praktisches Handeln waren. Als roter Faden durchzieht Kilians Analysen, dass das Militär der Politik zwar untergeordnet ist, dass die politisch- strategische Ebene die Hauptlineamente über die Verwendung des Militärs bestimmt, jedoch nicht in die Einzelheiten der Truppenführung der Ebenen der Taktik sowie der Operativen Führung eingreifen soll. Politiker stellen keine Feldwachen auf, fordert Clausewitz, führen keine Patrouillen und verhalten sich führungs- und Handlungsebenen gerecht Und, dass die Politik an das Militär keine Forderungen stellt, die es nicht zu leisten vermag. Schließlich, dass militärisches Handeln immer in ein Gesamtkonzept aller beteiligten Akteure eingebunden sein muss, wobei das Militär immer mit vielen Akteuren zusammenwirkt.

Die folgenden Kapitel des Buches gründen auf dem “Militärpolitischen Kompass”: “Militärische Elite im Wandel” (Umstrittener Elitebegriff, Auslese und Aufstieg, Von Kameradschaft zu Networking?, Frauen und Militärkarriere); “Die Führungsspitze der Bundeswehr in den Hauptphasen ihres Bestehens” (Politische Leitung, Militärische Führung); “Personen” (Laufbahnen und Leistungen, Ereignisse) ; “Elite in Turbulenzen“ (Ideologische Grabenkämpfe, Entlassungen, Rücktritte); “Karrieren nach der Bundeswehr” (als Politiker, Manager, Publizisten, in Verbänden). Das Buch wird durch ein knappes Resümee und einen realistischen Ausblick abgeschlossen.

Kilian macht deutlich, dass die Kompassnadel der Bundeswehr im Verlauf ihrer Geschichte in Deutschland oftmals auf Feldern verweilte, die den Kern des Verfassungsgebots, Streitkräfte zur Verteidigung aufzustellen, oft überschattet haben: Das Erreichen Ihrer höchstmöglichen Professionalität, ihre Einbindung in das Bündnis der NATO und dort das Einbringen deutscher Positionen sowie von Elementen der für die heutige Zeit weiterentwickelten deutschen Militärkultur mit ihrer mit der Konzeption der Inneren Führung vermählten Auftragstaktik. Das Werben für deutsche Stabs- und Entscheidungsverfahren und tradierwürdige Elemente deutscher militärischer Führungskunst, für die uns unsere Verbündeten lange bewundert haben.

Die “Architektur” von Kilians Buch bietet an, dieses in Längsschnitten durch alle Kapitel zu besprechen. Dies geschieht im Folgenden exemplarisch für Bereiche, die in die Zukunft der Bundeswehr weisen und neuer Lösungen bedürfen.

Einsatzfähigkeit der Bundeswehr, ihr Auftrag nach dem Grundgesetz und seine Durchführung

Kilian arbeitet heraus, dass in den Jahren des Kalten Krieges die deutschen Politiker und die Führung der Bundeswehr die Verteidigungsplanungen und ihr Üben den deutschen Oberbefehlshabern des Kommandobereichs Europa Mitte und deren nachgeordneten Truppenführern überließen. Er würdigt die herausragende fachliche Qualität der in der NATO eingesetzten hohen Offiziere als Oberbefehlshaber, Chairman Military Committee, als Stellvertreter des Obersten Alliierten Befehlshabers Europa der NATO und Chefs seines Stabes. Sie hatten und haben großes Ansehen bei ihren alliierten Kameraden, nahmen Einfluss auf die Gestaltung der Verteidigungsplanungen und trugen dazu bei, dass am Ende des Kalten Krieges die Bundeswehr auf Augenhöhe mit den Streitkräften der USA stand. Diese Offiziere wirkten virtuos auf den Ebenen der Militärstrategie und der Operativen Führung. Die mit ihnen eingesetzten deutschen Generalstabs- und Admiralstabsoffiziere wurden von ihren alliierten Vorgesetzten als Leistungsträger in den Stäben geschätzt. Kilian referiert, dass im Zuge der Bildungsreform der Bundeswehr unter Minister Helmut Schmidt die deutsche Generalstabs- und Admiralstabsausbildung abgeschafft werden sollte. Dies aus Gründen der Chancengleichheit für Offiziere, die sich nicht für diese Ausbildung qualifiziert hatten. Er beschreibt, wie diese bildungspolitische Posse in letzter Minute verhindert werden konnte. Versuche, z.B. von Minister Hans Apel, sich in NATO- Belange einzumischen, sorgten bei den Verbündeten für Unverständnis und liefen ins Leere. Der Verteidigungsbeitrag der damaligen Bundesrepublik Deutschland hatte einen Januskopf. Das wird bei Kilian deutlich: Die politisch- strategische Ebene, das Verteidigungsministerium, der Bundestag, der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages sowie der Verteidigungsausschuss beschäftigten sich in den Jahren des Kalten Krieges vor allem mit Interna der Bundeswehr. Es ist darauf hingewiesen worden, dass die hohen deutschen NATO- Offiziere in Deutschland kaum wahrgenommen wurden. Das ist, schreibt der Autor, bis heute so geblieben. Er führt an, dass der als Commander Joint Force Command verantwortliche Führer des Afghanistaneinsatzes, General Egon Ramms, mit der Bundeskanzlerin lediglich einmal kurz gesprochen habe; auch, dass der Verteidigungsausschuss, der den “Fall Oberst Klein” untersuchte, anstatt den verantwortlichen General Ramms dessen Untergebenen, den Kommandeur der ISAF, General McCrystal, vorladen wollte. Seit der Einrichtung des Einsatzführungskommandos führt der Generalinspekteur der Bundeswehr Truppe im Einsatz bis zu ihrer Unterstellung unter einen multinationalen Befehlshaber und wieder nach ihrer Entlassung aus dieser Unterstellung. Deutscher Einfluss wird im Einsatz durch Nationale Befehlshaber im Einsatzgebiet wahrgenommen. Kilian führt aufgetretene Friktionen an, z.B., dass Verteidigungsminister Struck die Auffassung vertrat, ein General in multinationaler Verwendung habe sich mit ihm in wichtigen Fragen zu beraten. Auf Konsequenzen dieses Friktionsfeldes für das Ansehen der Bundeswehr bei den Verbündeten im Einsatz hätte sich die Leserschaft noch mehr Aufschluss gewünscht.

Oberbefehl über die Bundeswehr in Frieden, Krise und Krieg sowie in den Internationalen Krisenreaktionseinsätzten und parlamentarische Kontrolle

Ausführlich analysiert der Autor, wie kompliziert die unter den Schatten von Hitlerdeutschland und von Stalingrad geschaffene Befehls- und Kommandostruktur der Bundeswehr konzipiert wurde. Er zeigt, dass der Verteidigungsminister, im Frieden Inhaber der Befehls- und Kommandogewalt, durch die höchstrichterlichen Entscheidungen zur Parlamentsarmee in seinen Kompetenzen beschnitten worden und der eigentliche Oberbefehlshaber das deutsche Parlament ist. Er vertritt die Auffassung, dass in den Jahren des Kalten Krieges wegen der Abgabe der Verteidigungsplanung und Operationsführung an die NATO im Falle der Landes- und Bündnisverteidigung die Kanzler einflusslose Oberbefehlshaber gewesen wären. Sie seien für diese Aufgabe auch nicht vorbereitet worden. Die Übernahme des Oberbefehls wurde, so Kilian, durch die Kanzler nie persönlich geübt. Aber auch die Verteidigungsminister im Zeitalter der Internationalen Krisenreaktionseinsätze werden vom Autor kritisiert. Das lange nicht zur Kenntnis nehmen wollen, dass sich der Afghanistaneinsatz zu einem Internationalen bewaffneten Konflikt ausgeweitet hatte und die in Bundeswehr und Öffentlichkeit mit Skepsis aufgenommene Auffassung von Minister Struck, Deutschland werde am Hindukusch verteidigt, führt den Autor zu der ironischen Feststellung, dort seien doch nur 5 000 deutsche Soldaten für eine solche gigantische Aufgabe eingesetzt gewesen, weit weniger als von manchen anderen Verbündeten.

Die praktische Wahrnehmung der Aufgabe des Generalinspekteurs als militärpolitischer Berater der Bundesregierung beurteilt Kilian als unmöglich, weil dieser sich vorher mit dem Verteidigungsminister und dieser wiederum mit dem Außenminister abstimmen müsse. Dies, weil in Deutschland das Auswärtige Amt für die Sicherheitspolitik und das Bundesministerium der Verteidigung für die Militärpolitik verantwortlich seien. Zutreffend stellt Kilian fest, dass im Gegensatz zu den Anfangsjahren der Bundeswehr kaum noch ein Mitglied des Verteidigungsausschusses über militärischen Sachverstand verfüge. Dagegen seien im Rechtsausschuss überwiegend Juristen tätig. Er führt viele der in den Einsätzen aufgetretenen Pannen auf diesen Sachverhalt zurück. Das weist auf Handlungsbedarf für das Entwickeln von Regelungen zur praktischen Durchführung der parlamentarischen Kontrolle vor dem Hintergrund der Einsatzerfahrungen. Es sei wiederholt: Die Politik stellt keine Feldwachen auf und führt keine Patrouillen. Sie fordert nichts vom Militär, was es nicht zu leisten vermag. Kilian stellt fest, dass zu viele Generale und Admirale diese Entwicklungen widerspruchslos hingenommen hätten und hinnähmen, weil, wie er glaubt festgestellt zu haben, heute hohe Offiziere der Bundeswehr zu einer Kanonisierung der Politiker neigten und auch aus diesem Grunde das Verhältnis zwischen Politik und Bundeswehr noch immer nicht auf gleicher Augenhöhe stattfinde. Aber, auch das wird bei Kilian sehr deutlich: Die früher verbreitete Annahme, dass ehemalige junge Offiziere der Wehrmacht wie Franz- Josef Strauß und Helmut Schmidt als Verteidigungsminister wegen ihrer Kriegserfahrungen besonders qualifiziert gewesen seien, entpuppt sich im Zuge seiner Darstellungen für einige Bereiche ihres Wirkens als Schimäre. Der “Haar und Barterlass” von Minister Helmut Schmidt beispielsweise und die Trennung in formale und funktionale Disziplin sowie truppenfremde Ideen und Konzepte der damals in der Bundeswehr durch ihn eingesetzten Pädagogen führten zu einem Verfall des Erscheinungsbilds der Soldaten und der Disziplin. Das zeigt, dass Minister, die gegen die von Kilian so bezeichnete Seele der Armee (S. 187) handelten, allzu oft eine Büchse der Pandora öffneten und Fehlentwicklungen nur schwer wieder in den Griff bekamen.

Missbrauch des Begriffs “Primat der Politik”, Auflösung von Spannungsverhältnissen und Behandlung von Generalen und Admiralen

Die in den Anfangsjahren der Bundeswehr vorhandene Missdeutung des Begriffs “Civil Control” als Recht der Beamten im Verteidigungsministerium, die Soldaten kontrollieren zu dürfen, erzeugte Spannungen. Die Amtsanmaßung des früheren Staatsekretärs Gumpel, am Generalinpekteur der Bundeswehr vorbei einen Gewerkschaftserlass herauszugeben, führte zum Beispiel zum Rücktritt von General Trettner, Generalinspekteur von 1964 bis 1966. Kilian weist nach, dass Kanzler, Parlament und Verteidigungsminister diese Verletzung des Primats der Politik durch Beamte erkannten, aber hinnahmen. Dann zeigt er, wie der Generalinspekteur durch den “Dresdner Erlass” von 2012 in seine heutige starke Stellung gehoben wurde: Zwar dem Beamteten Staatsekretär weiter unterstellt – Minister de Maizière deklarierte diese Regelung als Folge des Primats der Politik – aber zur Leitung des Ministeriums gehörend und unmittelbarer Vorgesetzter aller Soldaten und Beamten in seinem Bereich. Er verweist auf den Sachverhalt, dass im neu strukturierten Ministerium von neun Abteilungen fünf von Soldaten und vier von Beamten geleitet werden.

Kilian weist nach und zerstört die Legende, dass der frühere Vorsitzende der SPD, Kurt Schumacher, einen deutschen Wehrbeitrag abgelehnt habe. Der Autor verweist auf freundschaftliche Kontakte Schumachers mit den Generalen Heusinger und Speidel. Er stellt auch dar, wie Zug um Zug, vor allem durch Verteidigungsminister Georg Leber, die zu Beginn der Bundeswehr bestehende Spannung von Politikern, Gewerkschaftsführern und Soldaten abgebaut werden konnten. Die Bundeswehr war danach für ihre früheren politischen Gegner nicht mehr die Armee eines Obrigkeitsstaates, sondern der demokratisch verfassten Bundesrepublik Deutschland.

Empörung lösen bei Soldatinnen und Soldaten die von Kilian dargestellten Beispiele der Behandlung missliebig gewordener Generale und Admirale der Bundeswehr durch einige Verteidigungsminister aus. Der Autor vertritt die Auffassung, dass der Vorrang des Politischen keine Entschuldigung für rüpelhaftes Benehmen und schlechte Kinderstube von Ministern und Politikern sowie herablassende Unhöflichkeit gegenüber Generalen, Admiralen und Offizieren sei. (S. 44). Er führt Beispiele an, wie hohe Offiziere taktlos und ruppig von Ministern behandelt wurden und sich dies allzu oft haben gefallen lassen. Es ist fair von Kilian, dass er die späte Einsicht von Hans Apel nach seiner Zeit als Minister referiert, dass die Bundeswehr wie jedes Lebewesen und jede soziale Institution Verständnis, Zuneigung und Anerkennung brauche und Soldaten ein Recht darauf hätten, dass ihr Verhalten und ihr Ehrenkodex ernstgenommen würden. Die Entlassungen und Rücktritte in der Geschichte der Bundeswehr von Generalinspekteur Trettner, des Inspekteurs der Luftwaffe Panitzki, die politisch motivierten Entlassungen der Generale Grashey und Thilo durch Minister Schmidt, die Entlassung von Generalmajor Dr. Wagemann durch Minister Leber, der Rücktritt von Brigadegeneral Karst, die Entlassung, Wiedereinstellung und der Antrag auf vorzeitige Zurruhesetzung von General Dr. Kießling, die grundlose Ablösung von Generalmajor von Scotti als Divisionskommandeur, die unehrenhafte Entlassung von Brigadegeneral Günzel, Kommandeur des Kommandos Spezialkräfte, und der Generalleutnante Ruwe und Dieter erfolgten allzu oft in taktloser, menschenverachtender Form. Ihre Begründungen waren in vielen Fällen fragwürdig und grobe Verstöße gegen die für die Soldaten geltenden Grundsätze der Konzeption der Inneren Führung und ihrer Ausgestaltung in der Wehrgesetzgebung. Der Rücktritt von Generalinspekteur Schneiderhan im Jahre 2009 aufgrund der Anschuldigung, er habe dem Minister zu Guttenberg Informationen zum “Fall Oberst Klein” vorenthalten, schließt die Reihe menschlich unwürdiger Verhaltensweisen einiger Minister gegen missliebig gewordene Generale in der Geschichte der Bundeswehr ab. Kilian weist aber auch nach, dass sich die militärische Führung in einigen dieser Fälle nicht vor ihre in Misskredit geratenen Kameraden gestellt hat. Morris Janowitz hat in seiner Studie “The Professional Soldier” von 1960 von Offizieren ein Verhalten nach dem “Gentleman Code of Conduct” gefordert, der ungeschrieben in vielen Armeen gilt. Dieser macht Offiziere gegenüber Ministern wehrlos, die nicht nach ihm handeln oder ihn verletzten. Spannungen wird es immer geben, wenn mit Eliteniveau ausgebildete Soldaten auf militärische Laien prallen. Aber auch das sei festgestellt: Die Zivilcourage des vom Autor zitierten Generals Müller-Hillebrandt, der das Vorzimmer von Minister Strauss verließ, als ihn dieser dort lange warten ließ, obwohl der General zum Vortrag befohlen war, ist in der Bundeswehr offensichtlich eine Ausnahme geblieben.

Frauen in der Bundeswehr und ihre Bewährung

Die Feststellung des Autors, mit der Öffnung aller Laufbahnen in der Bundeswehr seit Januar 2001 für weibliche Soldaten habe Gender-Ideologie über die Friedfertigkeit von Frauen obsiegt, zeigt, dass Soldatinnen von vielen männlichen Soldaten noch immer unterschiedlich bewertet werden. Skepsis durchzieht auch Kilians Darstellung auf den lediglich 12 Seiten zu diesem bedeutsamen Thema. Das Verbot des Artikels 12, Absatz 3, des Grundgesetztes von 1956, Frauen dürften nicht zur Dienstleistung in der Bundeswehr verpflichtet werden und keinen Dienst mit der Waffe leisten, die Lockerung von 1968 in Artikel 12 a, Absatz 4, des Grundgesetzes, die aber auf dem Waffenverbot beharrte, die Öffnung aller Laufbahnen für Frauen für den Sanitäts- und Militärmusikdienst im Jahre 1991 und schließlich die Ungültigkeitserklärung des Europäischen Gerichtshofes, Frauen für den Dienst an der Waffe im Grundgesetz auszuschließen, führte in Deutschland 2001 zur Öffnung aller Laufbahnen in der Truppe für Soldatinnen. Kilian zitiert eine Studie des Sozialwissenschaftlichen Instituts von 2008, wonach der Integrationsprozess von Frauen in die Truppe noch nicht als abgeschlossen und problemfrei bezeichnet werden könne. Dann eine Studie des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr von 2011, die feststellt, dass politische Aussagen zu diesem Thema schöngeredet würden. Eine leichte Verbesserung des Integrationsprozesses von Frauen sei jedoch festzustellen: Im Umgang von männlichen und weiblichen Soldaten habe ein Prozess der Normalisierung eingesetzt. 51 Prozent der befragten weiblichen Soldaten hielten Dienst und Familie gut für vereinbar. Jede zweite Soldatin sei sexuellen Belästigungen ausgesetzt gewesen und drei Prozent sei sexuell missbraucht worden. Ministerin von der Leyen sei der Auffassung, dass das von ihr gestartete Attraktivitätsprogramm der richtige Weg zu einem Fortschreiten der Integration von Frauen in die Streitkräfte sei. Die zurzeit stattfindende Auswertung des Internationalen Krisenreaktionseinsatzes in Afghanistan und anderer Einsätze wird Aufschlüsse für die Bewährung von Frauen in der Bundeswehr und vor allem in Kampfeinheiten erbringen. Der Kommandeur des Panzergrenadierlehrbataillons 92 stellte beim Symposium des Freundeskreises der Panzergrenadier- und Panzertruppe im März 2015 die Leistungen weiblicher Soldaten in dem von ihm 2014 geführten Unterstützungsverband in Mazar- e- Sharif, Afghanistan, und ihre Integration in das Gefüge der Truppe außerordentlich positiv heraus. Kilian stellt auch eine beeindruckende Zahl weiblicher Soldaten vor, die bereits erfolgreich die Generalstabs- und Admiralstabsausbildung an der Führungsakademie in Hamburg absolvieren konnten und die wenigen Frauen, die bereits Generalsränge erreicht haben. ASuf Werbemaßnahmen und ihre Erfolge zur Gewinnung von Frauen für die Bunedswehr, insbesondere die Offizierslaufbahn, geht Kilian nicht ein. So bleiben die von ihm im Buch aufgenommenen Statistiken uninterpretiert.

Kilians Buch wird sicher ein breites Leserpublikum finden. Für die Handelnden in Politik, Militär, Diplomatie, in den Medien und in bundeswehrnahen Kreisen ist es ein unverzichtbares Werk für das Verständnis über positive und negative Entwicklungen in der Bundeswehr. Es gibt viele Hinweise, wie aufgetretene Spannungen und Pannen in der Zukunft vermieden werden können.

Das vorgestellte Buch ist erschienen im Osning Verlag Garmisch Partenkirchen und kostet 64 Euro.

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