Dimension Weltraum – Chancen, Risiken, Bedrohungen

Regionalkreises WEST der Clausewitz-Gesellschaft e.V. am 28. April 2025

In der Abendveranstaltung des 28. April 2025 wurde das bereits im Januar, mit dem Vortrag von Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. (mult.) Stephan Hobe „Einführung in das Weltraumrecht“, im Regionalkreis WEST eingeführte Thema „Dimension Weltraum“, mit einem weiteren Vortrag fortgesetzt.

Referent an diesem Abend war Herr Oberst i.G. Guido Leiwig, Leiter des militärischen Anteils des ressortgemeinsamen deutschen Weltraumlagezentrums. Ein Lagezentrum, das von der Bundeswehr und dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt betrieben wird. Dabei ist der militärische Anteil des Weltraumlagezentrums eine Abteilung des Weltraumkommandos der Bundeswehr.

Zu Beginn der Veranstaltung gedachten die Angehörigen des Regionalkreises WEST und die zahlreich erschienenen Gäste dem am 22. April verstorbenen langjährigen Mitglied der Clausewitz-Gesellschaft und Angehörigen des Regionalkreises WEST, Herrn Generalleutnant a.D. Wolfgang Otto.

Der Leiter des Regionalkreises WEST durfte vor “vollem Haus” neben den Angehörigen des Regionalkreises auch zahlreiche Gäste der „Bonner Runde“ des Freundeskreises der Bundesakademie für Sicherheitspolitik, des Bonner Forums der Deutsch-Atlantischen Gesellschaft, der Sektion Köln-Bonn der Deutschen Gesellschaft für Wehrtechnik und der Bonner Sektion der Gesellschaft für Sicherheitspolitik begrüßen. Weiterhin galten besondere Grußworte den zahlreich anwesenden künftigen Lehrgangsteilnehmern und Lehrgangsteilnehmerinnen des Lehrgangs Generalstabs-/Admiralstabsdienst National (LGAN), die sich zur Zeit im Rahmen ihrer Sprachausbildung am Bundessprachenamt in Hürth befinden.

Zunächst überbrachte Oberst i.G. Leiwig die Grüße des Kommandeurs des Weltraumkommandos, Herrn Generalmajor Michael Traut, der sich gerade auf einer Dienstreise zum NATO Space Centre of Excellence in Toulouse befand, um sich dort mit Vertretern der Partnernationen, unter anderem mit dem Kommandeur des US Space Command, zu treffen und auszutauschen.

Zu Beginn seines äußerst interessanten Vortrages stellte der Referent die aktuelle Lage im erdnahen Orbit dar, mit der er die Zuhörer mitnahm in die Dimension Weltraum, den dort herrschenden internationalen Bedingungen, den bereits jetzt absehbaren Entwicklungen sowie welche Chancen, Risiken und Bedrohungen damit verbunden sind.

Mit Stand 2023 befanden sich im beobachteten Teil des Weltraums ca.

  • 30.000 Objekte > 10 cm
  • 70.000 Objekte > 1 cm
  • 3.000.000 Objekte > 1 mm
  • 150.000.000 Objekte < 1mm

Der Anteil Europas an den im Jahre 2024 in den Orbit verbrachten Satelliten betrug mit 3% einen sehr geringen Anteil und zeigt, dass es im Weltvergleich im Weltraum zurzeit keine bedeutende Rolle spielt, auch wenn die Bedeutung des Weltraums ständig zunimmt. Die dort gestützten Systeme sind „dual-use by nature“, Finanzmärkte, Landwirtschaft (z.B. bei der GPS-gestützten Ausbringung von Dünger und Saatgut), Wetterbeobachtung, Logistik, Luftfahrt, Kommunikation und Navigation, alles stützt sich auf Systeme im Weltraum ab. Moderne Gesellschaften benötigen Satelliten, um funktionieren zu können und diese Systeme sind natürlich auch angreifbar. Diese friedliche Nutzung kann natürlich auch gestört werden und dadurch militärischen Zwecken dienen. Flugzeuge navigieren GPS-gestützt, wird diese Navigation gestört, wie aktuell im Raum Kaliningrad, hat dies selbstverständlich negative Auswirkungen auf die zivile Luftfahrt. Ebenso sind auch moderne Streitkräfte von Satellitensystemen hinsichtlich Aufklärung, Führungsinformation, Flugkörper-abwehr, Geoinformation, Positionsbestimmung und Navigation abhängig. Ohne diese “Dual-Use”-Systeme sind Multi Domain Operations nicht realisierbar.

Im erdnahen Orbit ist künftig mit einer erheblich zunehmenden „Verkehrsdichte“ zu rechnen, da die Kosten für die Verbringung von Fracht deutlich zurückgehen werden, so

  • betrugen 2016 die Kosten für eine Atlas V 551 Rakete 55.685 US-Dollar pro Kilogramm,
  • betrugen 2020 die Kosten für eine Rakete Falcon Heavy noch 951 US-Dollar pro Kilogramm und
  • die NASA strebt für das Jahr 2040 an, „tens of Dollars“ an Kosten für ein Kilo Startgewicht ausgeben zu müssen.

Dies wird im Orbit zu einer deutlichen Zunahme von Akteuren, Fähigkeiten und Systemen und damit zu Konfliktpotenzial führen. Und es führt neben weiteren Elementen wie Weltraumschrott und Weltraumwetter zu Risiken und Bedrohungen für Weltraumsysteme durch Kollisionen. Hinzu kommen noch Bedrohungen durch beabsichtigte und unbeabsichtigte Störungen und Beeinträchtigungen anderer Weltraumakteure. Diese besitzen unter anderem das Potenzial, Länder wirtschaftlich zu lähmen und Regierungen in ihrer Handlungsfähigkeit einzuschränken. Am 15. November 2021 zeigte Russland seine Fähigkeit von einem erdgestützten System aus, einen Satelliten im Orbit zerstören zu können. Der ausgediente russische Satellit KOSMOS 1408 wurde mit einer Anti-Satelliten Waffe zerstört, was zu ~1.550 detektierbaren Objekten an Weltraumschrott führte. Teile wie diese stellen eine erhebliche Gefahr dar, im Orbit befindliche Satelliten zu beschädigen.

Damit führte Oberst i.G. Leiwig die Zuhörer hin zum gesamtstaatlichen Auftrag des Weltraumkommandos der Bundeswehr und des militärischen Anteils des ressortgemeinsamen Weltraumlagezentrums. Dieser Auftrag ergibt sich aus der deutschen “Nationalen Sicherheitsstrategie”, der “Raumfahrtstrategie der Bundesregierung” und den “Verteidigungspolitischen Richtlinien” von 2023.

In der “Nationalen Sicherheitsstrategie” wird sowohl die wachsende Bedeutung des Weltraums für unsere Sicherheit, als auch die Notwendigkeit der sicheren Nutzung des Weltraums, insbesondere der Satellitenkommunikation und -navigation sowie der Erdbeobachtungsdaten für viele zivile Lebensbereiche betont. Um sich vor Weltraumbedrohungen schützen zu können, müssen diese erkannt und attribuiert werden können. In Deutschland ist die Erstellung eines Weltraumlagebildes zum Schutz vor Weltraumbedrohungen eine gemeinsame zivil-militärische Aufgabe. Diese soll in Zusammenarbeit mit internationalen Partnern erreicht werden. Das Weltraumlagezentrum wird weiter ausgebaut werden, um lageangemessen auf Vorfälle im Weltraum reagieren zu können. Gerade dem Ausbau der internationalen Zusam-menarbeit kommt erhebliche Bedeutung zu. Die oben bereits erwähnte Dienstreise des Kommandeurs des Weltraumzentrums zu einem Treffen mit Vertretern der Partnernationen stellt einen Beitrag zum Ausbau dieser Zusammenarbeit dar.

Dem Weltraumkommando der Bundeswehr wurde unter den oben dargestellten Rahmenbedingungen als Daueraufgabe der Auftrag zugewiesen, im Rahmen gemeinsamer Operationsführung eigene Weltraumfähigkeiten zu schützen und zu verteidigen sowie gegnerische Weltraumfähigkeiten einzuschränken.

Als ressortgemeinsame Einrichtung nimmt das Weltraumlagezentrum dabei folgende Aufgaben war:

  • Erstellen und Bewerten der Weltraumlage,
  • Weltraumaufklärung,
  • Weltraumwetterberatung und
  • Weltraumüberwachung.

Um in der Zukunft die zunehmenden Aufgaben auch mit geeignetem Personal bewältigen und weiter aufwachsen zu können, hat die Luftwaffe einen neuen Werdegang geschaffen, den Weltraumsoldaten. Hierzu steht geeigneten Bewerberinnen und Bewerbern die Offizier- sowie die Feldwebelaufbahn offen.

Zum Ende seines Vortrages fasste der Referent für die Zuhörer einige Aussagen zusammen:

  • Moderne Gesellschaften und moderne Streitkräfte sind von der Nutzung des Weltraums essenziell abhängig. Die nachhaltige und sichere Weltraumnutzung hat daher strategische Relevanz. Der Weltraum ist eine strategische Arena.
  • Der für diese Zwecke nutzbare Weltraum ist endlich und nur gering reguliert. (Interessen-)Konflikte sind bereits jetzt an der Tagesordnung. Eine regelbasierte Ordnung ist erst in ihren Anfängen.
  • In keiner anderen Dimension sind militärischer und ziviler Nutzen so eng verwoben. Die Wende zu überwiegend kommerzieller Weltraumnutzung ist bereits erfolgt. Damit sind neue Formen der Kooperation zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Regierungsorganisationen zu erschließen.
  • Der Weltraum ist eine komplexe physische militärische Dimension, die mit allen anderen militärischen Dimensionen eng verschränkt ist. Weltraumoperationen finden bereits jetzt statt und sind in allen Dimensionen zu planen und zu führen.
  • Das Weltraumkommando der Bundeswehr hat als Dauereinsatzaufgabe den Auftrag, im Rahmen gemeinsamer Operationsführung eigene Weltraum-fähigkeiten zu schützen und zu verteidigen sowie gegnerische Weltraum-fähigkeiten zu einschränken.

In der sich dem Vortrag anschließenden Aussprache stellte sich Oberst i.G. Leiwig den zahlreichen interessierten Fragen der Anwesenden, wie z.B. drohende Kollisionen, mit den immer mehr werdenden kommerziellen, zum Teil auch autonom fliegenden Satelliten, vermieden werden können. Er erläuterte dies am Beispiel, das man Kollisionen mit Starlink-Satelliten vermeidet, indem man die Ortsangaben der eigenen Satelliten an Starlink gibt. Sollte das Weltraumlagezentrum feststellen, dass Starlink-Satelliten auf Kollisionskurs liegen, kann das Unternehmen damit seine Satelliten mit kurzen Steuerkommandos vorbeileiten.

Dieser sehr interessante und lebhafte Vortrag, dessen Besuch sich für alle Anwesenden gelohnt hat und bei dem sie die Möglichkeit hatten, während und nach dem Vortrag ihre Fragen anzubringen, verdeutlichte allen Anwesenden die Bedeutung der Nutzung des Weltraums für die Zukunft. Am Ende nahmen alle Zuhörer einen tiefen Einblick in die Tätigkeiten des Weltraumkommandos der Bundeswehr und seine Rolle bei der Bewältigung der Aufgaben, die sich aus der Dimension Weltraum und seiner Nutzung ergeben, mit nach Hause.

Michael Warter
Oberst a.D. und Leiter Regionalkreis WEST

Bild: Quelle Oberst a.D. Michael Warter

 

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