Wolfgang Gülich: Die Sächsische Armee im Norddeutschen Bund und im Kaiserreich

Mit dem 2017 erschienenen dritten Band hat Wolfgang Gülich, Brigadegeneral a. D., seine Darstellung der Geschichte der Sächsischen Armee im 19. Jahrhundert abgeschlossen. Nach den bereits erschienenen Bänden über die Napoleonische Zeit (2. Auflage 2008) und die des Deutschen Bundes (1. Auflage 2011) hat der Verfasser jetzt den Zeitabschnitt von 1867 bis 1914 in den Blick genommen – das lange 19. Jahrhundert endete auch in Sachsen nicht bereits im Jahre 1899.

Über diese Epoche liegen bereits zahlreiche militärgeschichtliche Veröffentlichungen vor, jedoch zumeist über die Preußische Armee. Nach 1871 bestimmte Preußens Gloria weitgehend die Militärgeschichtsschreibung in Deutschland. Die Beschreibung der Leistungen der Armeen der übrigen deutschen Staaten trat dahinter zurück. Wie schon mit den beiden zuvor erschienenen Bänden schließt Gülich mit dem dritten Band seiner Geschichte der Sächsischen Armee noch einmal eine Lücke in der Historiographie zur deutschen Militärgeschichte.

In die jetzt beschriebene Epoche von 1867 bis 1914 fielen die wichtigsten Änderungen von Umfang, Gliederung und Ausrüstung der Armee des zuvor souveränen Königreiches Sachsen, insbesondere die Aufstellung eines weiteren Armeekorps.

Nach dem an der Seite Österreichs verlorenen Krieg von 1866, der Militärkonvention mit Preußen im folgenden Jahr, der Verfassung des Norddeutschen Bundes und ab 1871 der des Kaiserreiches musste die bisher selbständige Armee des Königreiches Sachsen sich der des Siegers und künftigen deutschen Führungsmacht Preußen anpassen. Artikel 61 der Reichsverfassung bestimmte – wie schon zuvor die des Norddeutschen Bundes, dass „im ganzen Reiche die gesamte Preußische Militärgesetzgebung ungesäumt einzuführen“ [ist]. Gülich beschreibt diese grundlegenden Änderungen detailgenau. Dabei geht er weit über die Angaben zu Gliederung, Umfangszahlen, zur Einführung neuer Waffen oder zum Offizierkorps hinaus.

Einen breiten Raum nimmt in diesem dritten Band die Darstellung von Mobilmachung, Aufmarsch und Operationen des XII. (Sächsischen) Armeekorps im Krieg 1870/71 im Kontext der politischen Lage ein. In der kurzen Zeit zwischen der Militärkonvention von 1867 und dem Kriegsbeginn 1870 waren alle preußischen Vorgaben zu erfüllen. Trotz erheblicher Umstellungen in diesem kurzen Zeitabschnitt bewährten sich die sächsischen Truppen, zum Beispiel bei Gravelotte-St. Privat und bei Sedan. Einen Vergleich mit Preußen oder Bayern mussten sie nicht scheuen. Erstmalig konnte Sachsen und seine Armee aus dem Schatten der übermächtigen Führungsmacht Preußen heraustreten.

Mehrere Abbildungen mit Darstellung der Kriegsereignisse und übersichtliche Kartenausschnitte erläutern die Operationen der Sächsischen Armee in diesem Feldzug. Der Verfasser nutzt dabei die in der Bundeswehr üblichen taktischen Zeichen für Brigaden, Divisionen und Armeekorps, was dem Leser das Verständnis der Kampfhandlungen erleichtert.

Der Wert dieses dritten Bandes besteht wie schon bei den zuvor Erschienenen in der detailgenauen, gründlich recherchierten Auswertung umfangreicher Quellen und Literatur. Truppenteile, deren Entstehungsgeschichte, Namen der Offiziere, Stationierung sowie die regelmäßigen Umgliederungen werden umfassend dargestellt. Wer sich davon überfordert fühlt, kann das Buch auch in Auszügen lesen, ohne dass der Gesamteindruck dabei verlorengeht.

Das Buch ist mehr als die Aufzählung von Fakten und Zahlen. Man spürt das Engagement des sächsischen Neubürgers für seine neue Heimat. Brigadegeneral Wolfgang Gülich hat nach der Wende die Bundeswehr in Sachsen mit aufgebaut und anschließend dort Wurzeln geschlagen.

Im Vorwort schreibt der Verfasser, dass er mit diesem dritten Band seine Darstellung der Sächsischen Armee abschließen will. Diesem Entschluss ist zuzustimmen, weil es bereits vor dem Ersten Weltkrieg, abgesehen von dem Eid auf den König von Sachsen und einigen Details an den Uniformen, keine Besonderheiten dieses Kontingents mehr gab.

Wie sehr die Sächsische Armee ein integraler Teil des Reichsheeres war, zeigen die Unterstellungsverhältnisse sächsischer Truppenteile in Elsass-Lothringen. Zu den beiden (preußischen) Armeekorps in Straßburg und Metz gehörten auch sächsische und bayerische Regimenter. Die Geschichte einer eigenständigen Sächsischen Armee war schon vor 1914 beendet.

Dr. Michael Vollert, Oberst a. D.

Wolfgang Gülich: Die Sächsische Armee im Norddeutschen Bund und im Kaiserreich 1867 – 1914. Markkleeberg , Sax-Verlag, 399 Seiten. 1. Auflage 2017, EURO 30,00.

ISBN 978-3-86729-175-0