Die Ostsee aus strategischer Sicht – FKpt Olliver Pfennig beim RK Nord am 19.04.17

Im Rahmen der Vortragsreihe des Regionalkreises Nord trug Fregattenkapitän Olliver Pfennig, derzeit Kommandant der Fregatte HESSEN, am 19. April 2017 zum Thema „Die Ostsee aus strategischer Sicht“ vor. Als ehemaliger Kommandant eines Flugkörperschnellbootes ist Pfennig mit der Thematik seit vielen Jahren bestens vertraut.

Nach einer kurzen Begriffsbestimmung zur Strategie nahm er die Zuhörer mit auf einen Erkenntnisgang zur Ableitung der sicherheits- und verteidigungspolitischen Herausforderungen in der Ostsee. Zunächst leitete er die strategischen Vorgaben der Bundesregierung aus den konzeptionellen Dachdokumenten des Weißbuchs 2016 und der Verteidigungspolitischen Richtlinien ab, um dann über eine Zweck-Ziel-Mittel-Analyse zum gegenwärtigen Stand zwischen Anspruch und Realität im Bereich der Marine in der Ostsee zu gelangen.

Durch einen Blick in die Geschichte der Deutschen Marine seit Gründung der damaligen Bundesmarine bis hin in die Gegenwart erläuterte Pfennig, dass die Ostsee nach dem Fall des Warschauer Pakts zunächst deutlich an strategischer Bedeutung verloren hätte. Dies habe sich schlagartig durch die  russische Annexion der Krim im März 2014 geändert. Pfennig zeigte zum einen auf, wie die jeweilige Strategie zur Nutzung der Ostsee im Falle einer bewaffneten Auseinandersetzung zwischen NATO und Warschauer Pakt ausgesehen hätte und zum anderen, wie sich in diesem Zusammenhang die Truppenstärke und die Ausrichtung der Bundesmarine seit den Jahren der „Friedensdividende“ bis in die Gegenwart verändert hat.

Pfennig kommt zu dem Schluss, dass die Bundesrepublik Deutschland mit ihrem Anspruch, mehr internationale Verantwortung im sicherheits- und verteidigungspolitischen Raum der NATO und in Europa übernehmen zu wollen, auch in Bezug auf die Ostsee gefordert sei. Um mehr internationale Verantwortung übernehmen zu können, müssten auch die maritimen Fähigkeiten und Fertigkeiten der Bundeswehr verbessert werden.

Neben dem Schutz des NATO-Territoriums, insbesondere der Baltischen Staaten, seien Überlegungen anzustellen, wie die Ostsee u.U. erneut gegen einen aufkeimenden strategischen Druck seitens Russland geschützt und im Ernstfall verteidigt werden könne, um jegliche Gedankenspiele mit Blick auf das Baltikum, ähnlich einer Annexion der Krim, bereits im Keim zu ersticken. Darüber hinaus sei es wichtig, sich grundsätzlich gegen potenzielle Gegner, die die eigene Küste oder die für das wirtschaftliche Überleben notwendigen Seeverbindungswege bedrohten, verteidigen zu können. Eine ausschließliche Ausrichtung in den Bereich der Expeditionary bzw. Out of area Navy, d.h. mit dem aktuellen Einsatzschwerpunkt Mittelmeer, reiche nicht aus, um dem Anspruch einer angemessenen Landes- und Bündnisverteidigung gerecht zu werden.

Pfennig zeigte auf, dass in der Marine gegenwärtig ein grundsätzlich höherer Bedarf an Material sowie besonders auch an gut ausgebildetem Personal bestehe. Insbesondere bestünde ein deutlicher Mehrbedarf an kleineren Kampfeinheiten, um dem massiven Expertiseverlust der letzten zehn Jahre im Bereich der Küsten- und damit Landesverteidigung entgegenwirken zu können. Dies gelte auch für die Ostsee.

An den Vortrag schloss sich unter der Moderation von Oberst d.R. Ullrich Tiedt eine lebhafte und offen geführte Diskussion an.

Ullrich Tiedt bedankt sich bei Olliver Pfennig

Zuhörer des Vortrages