Informationsveranstaltung des BMVg mit dem Generalinspekteur der Bundeswehr General Eberhard Zorn – RK WEST am 21.09.2018

Die diesjährige Informationsveranstaltung des BMVg für den Regionalkreis WEST der Clausewitz-Gesellschaft, das Bonner Forum der Deutschen Atlantischen Gesellschaft und die Sektion Köln-Bonn der Deutschen Gesellschaft für Wehrtechnik fiel in eine Zeit, die durch manche Verunsicherung über den Zustand der Bundeswehr und eine anhaltende Diskussion über die Höhe der Ausgaben für Verteidigung geprägt ist. Daher waren die Veranstalter besonders dankbar, dass es sich der neue Generalinspekteur der Bundeswehr, General Eberhard Zorn, der sein Amt im April übernommen hatte, nicht hatte nehmen lassen, seine wichtigsten Handlungsfelder persönlich vorzustellen. Im zweiten Teil der Veranstaltung im gut gefüllten Moltke-Saal auf der Hardthöhe trug Generalmajor Christian Badia, designierter Abteilungsleiter „Planung“ im BMVg, zur „Fähigkeitsentwicklung der Bundeswehr“ vor.

General Eberhard Zorn, der diese jährlich durchgeführte Veranstaltung in den Vorjahren in anderen Verwendungen bereits mehrfach mitgestaltet hatte, führte das Auditorium in einer Tour d‘Horizont sehr souverän und zugleich locker durch das breite Spektrum seines Aufgabenbereichs.
Die vielfältigen Herausforderungen durch die internationale Lageentwicklung in Osteuropa und dem sog. Krisenbogen von Mali bis Afghanistan sowie durch neue Bedrohungen, z.B. im Bereich Cyber, verknüpfte er mit den sicherheitspolitischen Interessen unseres Landes und zeigte den daraus entstehenden Handlungsbedarf für die Bundeswehr auf. Das Resümee lautete: Kurzzeitige Einsätze und Lösungen sind in keinem der Problembereiche zu erwarten. Die Bundeswehr wird auf lange Sicht sowohl in Stabilisierungsoperationen im Rahmen von Internationalem Krisenmanagement (IKM) als auch in der Landes- und Bündnisverteidigung (LV/BV) gefordert sein. Die Fähigkeiten für beide Bereiche müssten ausgewogen entwickelt werden.

Die veränderten geopolitischen Rahmenbedingungen gegenüber dem Szenario des Kalten Krieges erforderten allerdings andere Beiträge unseres Landes zur NATO-BV als früher. Deutschland, das nicht mehr Front- sondern Transitstaat sei, habe daher den Aufbau eines Joint Support and Enabling Command (JSEC) in Ulm übernommen. Truppe werde die Bundeswehr u.a. für die Very High Readiness Joint Task Force (VJTF) 2019 und erneut 2023 stellen. Ziel sei es, die materielle Ausstattung so zu verbessern, dass die VJTF 2023 in Brigadestärke erstmalig ohne externe Verstärkung aufgestellt werden könne. Neben der materiellen Ausstattung habe er einen besonderen Fokus auf Führungsorganisation und Führungsfähigkeit – national wie international – gerichtet.
Hinsichtlich der Zusammenarbeit in NATO und EU trug er den Sachstand beim Framework Nations Concept bzw. bei der Permanent Structured Cooperation (PESCO) vor. Im nationalen Bereich beleuchtete er in großen Zügen die Planungen für die Trendwenden „Personal“ und „Material“ sowie für den Bereich der Ausbildung.

Abschließend betonte er, welch hohe Bedeutung er der Kommunikation innerhalb der Bundeswehr und nach außen beimesse. Er als Generalinspekteur werde seinen Teil dazu beitragen und habe sich auch deshalb gern in diese Informationsveranstaltung eingebracht. Auch in der folgenden längeren Aussprache beeindruckte General Zorn die Teilnehmer nachhaltig durch Klarheit der Sprache, Offenheit und große Detailkenntnisse auf allen Fachgebieten.

Im zweiten Teil der Veranstaltung knüpfte Generalmajor Christian Badia nahtlos an die Ausführungen des Generalinspekteurs an und vertiefte sie aus der Sicht der Abteilung „Planung“. Dabei stand das neue „Fähigkeitsprofil der Bundeswehr“ im Mittelpunkt, das in der Ausgestaltung der „Konzeption der Bundeswehr“ den Bedarf der Bundeswehr und die Modernisierungsschritte bis zum Jahr 2031 detailliert beschreibt.
Das überragende Ziel der Abteilung „Planung“ im BMVg mit ihren 210 Mitarbeitern in drei Unterabteilungen und 17 Referaten sei es, einsatzbereite Streitkräfte sicherzustellen. Nach jahrzehntelangem Abbau der Bundeswehr (mehrfache beträchtliche Reduzierungen des Personalumfangs, Haushaltseinsparungen in Milliardenhöhe, Aussetzung der Wehrpflicht und Neudefinition der Aufgaben und Fähigkeiten) gelte es nun, die Trendwenden mit einem komplett neuen Mindset anzugehen. Bei der Fähigkeitsentwicklung seien IKM und LV/BV – wie bereits vom Generalinspekteur ausgeführt – künftig gleichrangig zu betrachten. Zu berücksichtigen sei dabei, dass angesichts hybrider Konfliktformen militärische Fähigkeiten allein heute nicht mehr im Zentrum stünden, sondern ein Instrument im Konzert des vernetzten Ansatzes darstellten.

Generalmajor Badia erläuterte sodann, in welchen Schritten die Streitkräfte in ihren Fähigkeiten bis zu ihrer Zielstruktur im Jahr 2032 aufwachsen sollten. Das VS-Vertraulich eingestufte „Fähigkeitsprofil“ werde jährlich fortgeschrieben und dabei u.a. den tatsächlichen finanziellen Vorgaben angepasst. Dem Bereich Material gelte angesichts der erkannten Ausrüstungsdefizite weiterhin höchste Aufmerksamkeit. Bereits in der vergangenen Legislaturperiode seien im Zuge der Trendwende „Material“ 31 Mrd. € in Rüstungsinvestitionen geflossen. Aber auch die multinationale Fähigkeitsentwicklung, bei der heute schon eine deutlich verbesserte Koordinierung festzustellen sei, müsse weiter vorangebracht werden. Im EU-Planungsprozess müsse es gelingen, u.a. die Zahl der Typen an Großgerät deutlich zu reduzieren und Kleinteiligkeit zu überwinden.

In einer ausführlichen Aussprache wurden viele Aspekte der Fähigkeitsentwicklung nochmals aufgegriffen und vertieft. Die von Generalmajor Badia überzeugend und mit großer Detailkenntnis vorgetragenen Planungsschritte erschienen den weitaus meisten der Anwesenden sehr sorgfältig koordiniert, plausibel und stringent; Zweifel daran, ob die zur Umsetzung erforderlichen Haushaltsmittel tatsächlich in angemessener Höhe zeitgerecht zur Verfügung stehen würden, konnten allerdings nicht bei allen ausgeräumt werden.

Insgesamt war die diesjährige Informationsveranstaltung des BMVg dank beider Vortragender nach dem Urteil vieler Teilnehmer das Highlight des Jahres im Programm des RK WEST.

Jürgen Ruwe, Generalleutnant a.D.