„Die Weiterentwicklung des Deutschen Heeres“ – RK West am 14.05.2018

Die Auswirkungen der veränderten sicherheitspolitischen Lage in Europa auf das Deutsche Heer standen im RK West unter unterschiedlichen Aspekten mehrfach auf der Tagesordnung – nicht zuletzt im März 2015 beim Vortrag von GenLt Jörg Vollmer, inzwischen Inspekteur des Heeres.

Während damals der Aufbau eines besonders schnellen Einsatzverbandes, der Very High Readiness Joint Task Force (VJTF) im Vordergrund stand, wollte das Amt für Heeresentwicklung (AHEntw) nunmehr die mittel- und langfristigen Planungen des Heeres vorstellen.

Oberst i.G. Harald Einzinger, Gruppenleiter Grundlagen Konzeption/Führung im Amt, war dankenswerterweise als Vortragender für den Amtschef eingesprungen, der durch eine kurzfristig durch die Bundesministerin der Verteidigung anberaumte Bundeswehrtagung verhindert war. Einführend stellte Oberst i.G. Einzinger kurz die Struktur und die Kernaufgaben des AHEntw vor. Dabei hob er als tragende Prinzipien der „Heeresentwicklung aus einer Hand“ hervor, dass sie ganzheitlich, systembasiert und zukunftsorientiert erfolge.

Bevor er jedoch den Blick nach vorn öffnete, stellte er mit einer beeindruckenden Übersicht, die den erschreckenden Abbau des Heeres seit der deutschen Vereinigung dokumentierte,  die Ausgangslage für die aktuellen Planungsüberlegungen dar.

Aus den voraussichtlichen operativen Trends und den neuen Herausforderungen im Bereich Cyber leitete er sodann das erforderliche Fähigkeitsprofil Bundeswehr ab und zeigte die Rolle des Deutschen Heeres darin auf. In der Zielstruktur 2031+ soll das Heer über drei einsatzbereite Divisionen und – einschl. der LuftMechBrig – über neun Brigaden verfügen. Aus personellen, materiellen, finanziellen und organisatorischen Gründen kann dieser Aufwuchs natürlich nur schrittweise erfolgen. Dabei sollen ab 2023 eine Brigade als VJTF und ab 2027 eine modernisierte, voll einsatzfähige Division im Rahmen der Bündnisverteidigung zur Verfügung stehen. Parallel dazu soll die Digitalisierung der Landstreitkräfte zu einem „Heer 4.0“ weitergeführt werden.

Oberst i.G. Einzinger zeigte im Einzelnen auf, welche Verbesserungen im Heer für die VJTF (L) bis 2023 und welche Schritte zur Weiterentwicklung einzelner Waffensysteme (SPz PUMA, KpfHubschr TIGER und des Common Indirect Fire System) sowie bei der Digitalisierung des Heeres vorgesehen sind. Abschließend betonte der Vortragende die Bedeutung eines geordneten Innovationsmanagements und der Multinationalität in der Heeresentwicklung.

Dem außerordentlich interessanten und sehr ins Detail gehenden Vortrag folgte eine lebhafte Aussprache. Darin wurde deutlich, dass der grundsätzliche Ansatz der Heeresplanung den meisten Teilnehmern im Kern durchaus plausibel erschien. Kritisch hinterfragt wurde jedoch, woraus sich sicherheitspolitisch ableiten lasse, dass das Dispositiv des Heeres in der vorgestellten Zielstruktur erst ab 2031 erforderlich sei. Viele Fragen zielten auch auf die finanzielle Realisierbarkeit der Heeresplanungen. Angestoßen u.a. durch eine fundierte Darstellung der Entwicklung der Verteidigungsausgaben im Finanzplan des Bundes durch GenLt a.D. Prof. Dr. Jürgen Schnell – wurden vielfach Zweifel am politischen Willen geäußert, die erforderlichen Haushaltsmittel für eine auch im Rahmen der Landes- und Bündnisverteidigung voll einsatzbereite Bundeswehr in ausreichendem Maß zur Verfügung zu stellen. Diese Debatte lag natürlich außerhalb des Verantwortungsbereichs des AHEntw oder gar des Referenten. Allgemeine Übereinstimmung bestand aber darüber, dass Unsicherheiten im Bereich der Finanzen nicht dazu führen dürfen, auf eine an den sicherheitspolitischen Herausforderungen orientierte Planung zu verzichten. Anderenfalls würden – wie in den vergangenen Jahren vielfach geschehen – Defizite über lange Zeit verdeckt und erst dann sichtbar, wenn sie solch katastrophale Ausmaße annehmen, dass sie auch vor einer ansonsten an Fragen der militärischen Einsatzbereitschaft wenig interessierten Öffentlichkeit nicht mehr zu verbergen sind.

Generalleutnant a.D. Jürgen Ruwe