“Die Rolle der USA in einer Welt voller Konflikte” – RK West am 18.04.2016

Mit der Ukraine-Krise, der Bedrohung durch den sog. Islamischen Staat und vielen weiteren aktuellen Konfliktherden in der Welt ist deutlich geworden, dass die Europäische Union als sicherheitspolitischer Akteur auf sich allein gestellt heillos überfordert wäre. Offenkundig geht ohne die USA im Bereich der Sicherheitspolitik wenig bis nichts. Daher bot es sich an, die aktuelle Rolle der USA und mögliche Veränderungen durch die bevorstehenden Präsidentschaftswahlen näher zu betrachten. Mit dem Henry-Kissinger-Professor for International Security and Governance an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, U.S. Ambassador (ret) Prof. James D. Bindenagel, stand dafür ein anerkannter Experte als Referent zur Verfügung.

Prof. James D. Bindenagel

Prof. James D. Bindenagel

Bindenagel stellte zunächst die Grundzüge der amerikanischen Sicherheitspolitik in der Ära Obama dar. Sie sei von Beginn an durch militärische Zurückhaltung gekennzeichnet, schließe jedoch militärische Gewalt nicht aus, wenn amerikanische Interessen massiv bedroht seien. Den syrischen Bürgerkrieg führte er als Beispiel für Erfolg und Misserfolg der Politik Barack Obamas an. Den Einsatz von Chemischen Waffen durch das Assad-Regime als rote Linie zu deklarieren, ohne dann zur Intervention bereit zu sein, bezeichnete er als klaren Fehler. Im Zusammenwirken mit Russland sei das Problem dann aber politisch zufriedenstellend gelöst worden. Im Nahen und Mittleren Osten werde man weiterhin bemüht sein, mit Beteiligung aller Konfliktparteien und unter Einbeziehung Russlands politische Lösungen zu finden. Das Abkommen mit dem Iran habe gezeigt, dass dies möglich sei. Im Irak und in Syrien werde man auch künftig nur mit einem „light footprint“ präsent sein, eine umfassende Entsendung von Bodentruppen sei in den USA nur schwer zu vermitteln und werde daher ausgeschlossen. Die Niederschlagung von ISIS werde allerdings noch Jahre in Anspruch nehmen.
In Europa dürfe die NATO Russland nicht isolieren; daher sei die Wiedereinberufung des NATO-Russland-Rates zu begrüßen. Präsident Obama habe die Europäische Union zu eigenständiger Strategie und eigenen Anstrengungen aufgerufen; die atlantische Partnerschaft bleibe aber unverzichtbar.

Die Aussprache drehte sich im Wesentlichen um die Frage, wie die Ergebnisse der Präsidentschaftswahlen die künftige amerikanische Außen- und Sicherheitspolitik beeinflussen würden. Dabei wurde die Sorge deutlich, dass man bei einem Sieg Donald Trumps mit größeren Verwerfungen rechnen müsse – bis hin zu einem Infragestellen des Engagements in der NATO. Prof. Bindenagel relativierte diese Sorge allerdings mit dem Hinweis, dass man nicht alle Äußerungen Trumps für bare Münze nehmen müsse, er sei oftmals später zurückgerudert. Wahrscheinlicher sei im Übrigen, dass die künftige Präsidentin Hillary Clinton heißen werde. In diesem Fall sei nur mit moderaten Änderungen der amerikanischen Politik zu rechnen. Aufgrund des innenpolitischen Drucks sei allerdings zu erwarten, dass die europäischen Verbündeten auch künftig aufgefordert würden, einen angemessenen Beitrag zur Sicherheit in der Region und darüber hinaus zu leisten.
In jedem Fall wird zu beobachten sein, welche Überraschungen der weitere Vorwahlkampf und der darauf folgende Wahlkampf in den USA noch bringen wird.

Jürgen Ruwe, Generalleutnant a.D.