„China als Ordnungsmacht? Chinesische Geopolitik in Nordkorea, dem Südchinesischen Meer und der neuen Seidenstraße“ – RK West am 24. 01. 2018

Nachdem Dr. Enrico Fels vom Center for Global Studies der Universität Bonn im September des vergangenen Jahres im RK West bereits über die Geopolitik in Südostasien vorgetragen hatte, stand in einer gemeinsamen Veranstaltung mit der Köln-Bonner Sektion der Deutschen Gesellschaft für Wehrtechnik (DWT) die Rolle Chinas in der Region und als globaler Player mit erweiterter Thematik erneut im Fokus der Betrachtung.

Die Rolle und Bedeutung Chinas – so führte Dr. Fels aus – ergebe sich nicht nur aus seiner Größe als bevölkerungsreichstes und nach Fläche viertgrößtes Land der Erde, sondern auch aus seiner leistungsfähigen Wirtschaft, die seit vielen Jahren ein beständiges hohes Wachstum aufweise. Seit Oktober 2014 sei China kaufkraftbereinigt die größte Wirtschaftsmacht. Dank dieses Wachstums habe es in den letzten 15 Jahren 650 Millionen Menschen aus der Armut holen können.

Die immensen Währungsreserven für Auslandsinvestitionen, über die China verfügt, beflügelten naturgemäß globale Ambitionen, wie sie sich in dem vom chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping 2013 entwickelten Begriff vom „Chinesischen Traum“ manifestierten. Der Zeitraum von 2000 bis 2020 werde als ein strategisches „Window of Opportunity“ gesehen, das es zu nutzen gelte. Die strategische Rivalität mit den USA sei aus chinesischer Sicht von gegenseitiger wirtschaftlicher Abhängigkeit und machtpolitischer Realpolitik geprägt. In beiden Bereichen betreibe China gewaltige Anstrengungen zur Ausweitung seines Einflusses. Dazu zählten die Seidenstraßeninitiative ebenso wie die Modernisierung und der Aufwuchs der Streitkräfte mit einem Mittelanstieg, der das Wirtschaftswachstum noch übersteige.

Mit Blick auf die Rolle Chinas in der Region beleuchtete Dr. Fels sodann die chinesische Haltung im Nordkorea-Konflikt und die territorialen Besitzansprüche im Südchinesischen Meer, das aufgrund seiner geographischen Lage und seines Ressourcenreichtum von immenser strategischer und wirtschaftlicher Bedeutung ist. Ziel der chinesischen Nordkorea-Politik sei es, das Land trotz aller Differenzen wegen dessen Nuklearwaffenprogramms als Puffer zu den amerikanischen Streitkräften in Südkorea zu erhalten sowie einen wirtschaftlichen Zusammenbruch und eine damit drohende Armutsimmigration nach China zu vermeiden. Eine aus chinesischer Sicht optimale, wenngleich unrealistische Lösung des Nordkoreaproblems bestehe in der Beendigung des nordkoreanischen Atomprogramms, einer Transformation des politischen Systems nach chinesischem Vorbild bei gleichzeitigem Disengagement der USA von Südkorea.
Im Südchinesischen Meer beanspruche China ca. 80% des Territoriums als Erweiterte Wirtschaftszone und habe zur Untermauerung seiner Ansprüche künstliche Inseln mit Flugplätzen und militärischer Besatzung ausgebaut. Widerstände der betroffenen übrigen Anrainerstaaten und deren – von einem Spruch des internationalen Schiedsgerichts in Den Haag untermauerten – eigenen Ansprüche scheiterten an der wirtschaftlichen und militärischen Dominanz Chinas und seiner als „Incremental Assertiveness“ bezeichneten Strategie.

Weit über die Region hinaus gehe jedoch die Seidenstraßeninitiative, bei der ein Investitionsvolumen von 900,- Mrd. € angedacht sei. Sie ziele auf eine enge wirtschaftliche Verknüpfung Ostasiens mit Europa und umfasse insgesamt 65 Länder in Asien und Europa, aber auch in Afrika. Die erheblichen Auslandsinvestitionen Chinas in Europa, insbesondere auch in Deutschland, seien als Teil dieser Bestrebungen zu sehen. Darüber hinaus sei ein klarer globaler Gestaltungsanspruch zu erkennen, der sich auch in militärischen und militärdiplomatischen Aktivitäten niederschlage.
Europa müsse sich in seinen Beziehungen zu China darauf diesen Herausforderungen stellen, das eigene Potenzial und die eigenen Interessen selbstbewusst in eine Partnerschaft mit China einbringen, dabei aber eine Entkoppelung von den USA vermeiden. Im Übrigen müsse sich Europa vermutlich von der Annahme verabschieden, dass sich das westliches Gesellschafts- und Staatsverständnis quasi automatisch universal durchsetzen werde. Die These jedenfalls, wirtschaftlicher Erfolg setze ein liberales Gesellschaftssystem zwingend voraus, sei durch das Beispiel Chinas widerlegt.

Die folgende intensive Aussprache behandelte ein breites Spektrum an Fragen, u.a. die nach der Reziprozität in den Bedingungen für Auslandsinvestitionen und der inneren Stabilität Chinas.
Die ca. 140 Teilnehmer, von denen etliche anschließend noch das freundliche Angebot der Deutschen Post zu einer Führung durch das Posttower nutzten, konnten auf eine hochinformative, interessante und anregende Veranstaltung zurückblicken, die Dr. Fels sehr anschaulich gestaltet hatte.
Der Regionalkreis West der Clausewitz-Gesellschaft dankt dafür sehr herzlich ebenso wie für die reibungslose Organisation der Veranstaltung durch Oberst a.D. Josef Schuler, den Leiter der Sektion Köln-Bonn der DWT.

Generalleutnant a.D. Jürgen Ruwe