„Bedrohungsperspektiven aus Sicht des Kommandos Strategische Aufklärung“- RK WEST am 11.02.2019

Wenige Wochen vor dem zweiten Treffen Präsident Trumps mit dem nordkoreanischen Machthaber Kim Jong-un sowie wenige Tage vor der Münchner Sicherheitskonferenz, in der die Konflikte mit Russland und China die Thematik bestimmten, aber auch die Gräben zwischen den USA und Deutschland sichtbar wurden, trug Generalmajor Dipl.-Kfm. Axel Binder, Kommandeur des Kommandos Strategische Aufklärung der Bundeswehr, beim RK WEST zur Bedrohungslage vor.

Generalmajor Dipl.-Kfm. Axel Binder, Kommandeur des Kommandos Strategische Aufklärung der Bundeswehr

Generalmajor Binder, Kdr KdoStratAufkl

Ausgehend von einem Medienecho zu der Frage „Was bedroht uns?“ stellte der Referent zu Beginn seiner Ausführung die Perzeption der deutschen Bevölkerung anhand einer Allensbach-Umfrage vor. Demnach gehe von Nordkorea die größte Bedrohung aus. Mehr als 70% der Befragten sahen das so (Mehrfachnennungen möglich). Erstaunlicherweise erscheinen die USA in der Liste der Länder, von denen eine Bedrohung des Weltfriedens ausgehe, an zweiter Stelle (40%), gefolgt vom Iran, der Türkei, Syrien und Russland (28%). Ebenso erstaunlich für die Mehrheit des Auditoriums war der Umstand, dass China nur von 15% der Befragten genannt wurde.

GenMaj Binder führte sodann aus, dass die Herausforderungen bei der Beurteilung der globalen Risiken immer komplexer würden. Zu der herkömmlichen Betrachtung militärischer Potenziale im Rahmen der Landes- und Bündnisverteidigung gesellten sich bereits seit Längerem Bedrohungen hybrider Natur und zunehmend auch aus dem Cyberraum. Sein Kommando, das er kurz vorstellte, befasse sich mit einer Personalstärke von 5 000 bis 6000 mit dem gesamten aufgezeigten Spektrum.

Hinsichtlich möglicher Bedrohungsszenare richtete GenMaj Binder zunächst den Blick auf die militärischen Fähigkeiten der russischen Streitkräfte, wie sie u.a. in den Großübungen ZAPAD 2018 und WOSTOK 2018 eindrücklich demonstriert worden seien. Auch wenn bei der öffentlichen Darstellung der militärischen Potenziale durchaus gelegentlich Showeffekte mitspielten, sei die Führungsfähigkeit für großräumige Operation sowohl im Bereich Joint- als auch im Bereich Combined-Operations belegt worden. Ansonsten konzentrierten sich die Modernisierungsanstrengungen auf Schlüsselfähigkeiten, einschließlich der nuklearen Triade. Investitionen erfolgten überwiegend in bestehende Systeme und Strukturen mit eindeutigen Schwerpunkten. So sei z.B. in den letzten Jahren eine hohe Priorisierung bei der Verstärkung der 1. Gardepanzerarmee im Militärbezirk West zu erkennen gewesen – mit dem Ziel, hochmobile Elite-Verbände für schnelle militärische Reaktionen verfügbar zu haben. Für neue Ausrüstung, Strukturen und Verfahren werde der Einsatz in Syrien von den russischen Streitkräfte in vielfacher Weise als Test- und Erprobungsfeld genutzt. Insgesamt müssten sowohl die Gefechtsbereitschaft der Streitkräfte als auch die Resilienz in der eigenen Bevölkerung als hoch eingeschätzt werden.

Mit Blick auf China führte GenMaj Binder aus, das Land sei bestrebt, seinen Einfluss in der Welt einerseits mit wirtschaftlichen und politischen Mitteln weiter auszudehnen. Die Seidenstraßeninitiative sei dafür ein signifikantes Beispiel. Auf der anderen Seite baue China jedoch seine bestehenden militärischen Kapazitäten sehr zielstrebig aus. Zwei weitere Flugzeugträger verstärkten die Fähigkeiten zur maritimen Expansion nochmals erheblich.  Der Referent wies auf die chinesischen Aktivitäten im Südchinesischen Meer hin, die bereits mehrfach Thema im RK WEST waren. Weniger bekannt war dagegen der Umstand, dass China sich zu einem ganz wesentlichen Truppensteller für UN-Operationen entwickelt hat, so dass auch die Bundeswehr vor allem in Afrika gelegentlich auf chinesische Kontingente trifft.

Beim dritten großen Feld, das der Vortragende abdeckte, dem Cyberraum, zeigte er die aktuellen Bedrohungsszenare auf – von der Nutzung sozialer Medien zu Propaganda und Desinformation, einem Klavier, das besonders von russischen Akteuren sehr professionell gespielt wird, bis hin zu massiven Störungen und Attacken auf die zivile und militärische Führungsfähigkeit und Infrastruktur. GenMaj Binder stellte sodann dar, in welcher Weise sich die Bundeswehr auf diese Bedrohungen einstellt. Dies geschehe in enger Zusammenarbeit mit den Verbündeten sowie den zuständigen zivilen Institutionen, insbesondere dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) und dem Bundesnachrichtendienst (BND) und umfasse auch Kapazitäten für Gegenreaktionen.

Der sehr informative Vortrag, der mit mehr als hundert angemeldeten Teilnehmern eine Rekordbeteiligung erreichte, wurde ergänzt durch eine ausführliche und sehr intensive Aussprache, die ein breites Fragenspektrum umfasste.

Jürgen Ruwe, Generalleutnant a.D.